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versöhnen. Aber die Bauern aus Oberbayern, West
falen und der Vendee sahen die Monarchie nicht, wie
sie ist; sie konstruierten sie aus dem unkomplizierten
Idealismus ihres Herzens, der die Monarchen nur in
der Idee, aber nicht bei der Arbeit sieht: sie kon
struieren sie aus dem preußischen und deutschen Lese
buch, das sich seit etwa 70 bis 80 Jahren die Glorifi
zierung der Monarchie, besonders der preußischen, zur
Aufgabe gestellt hat.
Bismarck beginnt sein Werk „Gedanken und Er
innerungen" mit der Feststellung, daß er das Gym
nasium verlassen habe als Pantheist und Republi
kaner. Auf Pantheismus und Republikanismus war
das geisteswissenschaftliche Unterrichts- und Erzie
hungsprogramm des preußischen Gymnasiums gestellt,
als Ausdruck der Aufklärungsperiode jener Zeit. Ich
führe das an, um zu beweisen, in welchem Maße die
geistige Struktur eines Volkes von der Schulung und
dem Unterrichtsplan abhängig ist.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts nahm
dieser Erziehungsplan unserer Gymnasien und Volks
schulen einen anderen Charakter an. Die Verherr
lichung der Hohenzollern wurde das Grundthema des
historischen Unterrichts und des deutschen Lesebuchs.
Rach 1866 und 1870 wurde aus der Hohenzollernver-
herrlichung eine grundsätzliche Glorifikation der
Monarchie überhaupt. Auf dem Katheder der Hoch
schule Treitschke und Sybel und in seiner Gefolgschaft
das Heer der deutschen Oberlehrer, die die preußische
Monarchie und den deutschen Leutnant als die Kompo
nenten deutscher und nationaler Kultur zu preisen
wußten.
Wir st an den alle unter diesem Bann, unter
dieser Suggestion eines bis ins kleinste gepflegten
Royalismus und monarchistischen Heldenverehrung.
Der Schreiber dieses nicht zum wenigsten, obwohl
wir doch alle wußten, was ein Ludwig XIV. und XV.