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Der Föberalismus.
Die föderalistische Idee ist zwar in der Weimarer
Verfassung staatsrechtlich gewährleistet, aber in der
praktischen Politik tritt sie nicht besonders stark her
vor. Die jahrzehntelange Vorherrschaft Preußens hat
den Unitarismus zu einer Macht auch im Gefühls
leben der Deutschen gestaltet. Und wie es so vielen kaum
möglich ist, monarchistische Eedankengänge loszuwer
den oder die Vorherrschaft des Leutnantgeistes aus
dem gesellschaftlichen Denken auszuschalten — weil der
Militarismus sowohl das Moralische, wie das Jntel-
lektualistische mit Beschlag belegte —, so ist auch der
Unitarismus als deutsche Staatsidee mit der ganzen
politischen Vorstellungswelt bei fast allen Parteien
aufs engste verknüpft. Man hat sich an die Vorherr
schaft Preußens in Deutschland derartig gewöhnt, daß
das stammestümliche Ehrgefühl hinter das
preußisch-deutsche fast zurücktritt.
Diese Wandlung wird an einem Beispiel besonders
klar. Die Deutsche demokratische Partei war
seit ihrem Eintritt ins öffentliche Leben föderalistisch.
Von dem Augenblick an, wo der preußische Frei
sinn in ihr mächtig ward, trat der föderalistische Ge
danke zurück. Ein Blatt, wie die „Frankst. Ztg.", die
mit ihrem Gründer Leopold Sonnemann die Fahne
des Föderalismus hochhielt — unter nicht unbeträcht
lichen Opfern —, schwimmt heute ganz im Fahrwasser
des Unitarismus. Selbst im Rheinland, dem Kern
land des Deutschtums, hat der Widerstand gegen die