77
gesprochen werden, daß alles Treiben der Erde nur
den Zweck hat, die einzelnen Menschen für ein höheres
Leben auszureifen, für ein Leben, welches wir doch
darum doch nicht leugnen werden, weil wir es uns
nicht vorstellen können, welches wir uns nicht dürfen
vorstellen können, d a m i t w i r nicht um des
Lohnes willen streben, nach dessen Heil wir
streben, weil wir aus dem auf ein Ziel deutendes, er
sichtlich von einer erzieherischen Hand gelenktes Erden
leben es hervorwachsen fühlen." So Lagarde.
„Wir sind Pilgrime auf Erden." Gewiß. Bis zu
dem Punkt gehen viele mit. Und wenn ich mir so die
Agitations-Terminologie von „rechts" her ansehe, so
ist man auf der deutschnationalen, wie auf der natio
nalliberalen Seite, stärker als je geneigt, die Jenseits
gedanken und die menschliche Pilgrimschaft dem poli
tischen Programm der Rechten zu assimilieren. Aber
diese neue „Rechts"-Denkart hat eine verdächtige Aehn-
lichkeit mit der These: dem Volke muß die Religion
erhalten werden, damit die Privilegierten leichter mit
ihm umspringen können. So sicher es ist, daß unser
Dasein sich nicht im Irdischen erschöpft und daß die
Gestaltung der Menschenseele auf eine „jenseits" zu
erfolgende Vollendung hinweist, so wenig darf nun
daraus gefolgert werden, daß es etwa Gottes
Wille sei, daß die Hohenzollern im Laufe ihrer
Herrscherzeit ein viele Hunderte von Millionen be
tragendes Vermögen „erwarben", oder daß es Junker,
Grafen und Barone gäbe und eine Kaste von Privi
legierten naturnotwendigerweife im Wohlsein leben
müsse, und in einer ästhetisch aufgemachten
Atmosphäre von Freude, Schönheit und Herrschaft.
Daß anderseits Millionen und abermals Millionen
dazu verurteilt seien, in schwerster körperlicher Fron zu
stehen, ein Leben der Armut und Freudlosigkeit zu
leben, die Gosse zu reinigen und allen Schmutz des Ir
dischen zu bewältigen, um dafür dann noch von den