79
kritisch sein konnte vom Standpunkte eines sozialen
Liberalismus. Wie oft hatte ich das früher dem Pan-
tenius verdacht und ihn innerlich einen „Sozi" geschol
ten, wie ich es dem Grafen Wilhelm Douglas in Baden
immer verargt hatte, daß er den Freisinnigen die
„Märchen" vom Junker, seiner Gesinnung und Herr
schaft nachsprach und ihn erst begriff, als ich durch
Augenschein mich überzeugte, daß es sich wahrlich nicht
um „Märchen" handelte.
E o t t e s W i l l e ist e s n i ch t, daß Armut,
Elend, materielles und sittliches, auf Erden herrscht,
daß Egoismus und Herrschsucht Triumphe feiern, daß
Menschen als Monarchen vergöttert werden. Aks
jener Jüngling aus dem Evangelium sich dem Hei
land als den mustergültigen Freund präsentierte, der
alle Gebote gehalten habe und wissen wollte, was er
noch tun müsse, um das Reich Gottes zu erwerben —
vom Herrn die Antwort bekam, daß er alles verkaufen
solle, um es den Armen zu geben, da wandte
sich der reiche Jüngling ab und der Gottessohn sprach
sein vernichtendes Urteil über die Reichen aus.
Wenn es den Menschen möglich ist, Armut und
Elend aus der Welt zu schaffen, wenn sie es ver
mögen, die Brüderlichkeit auch in den poli
tischen, sozialen und wirtschaftlichen Formen zur Tat
werden zu lassen, dann ist Gott ganz gewiß
damit e i n v e r st a n d e n. Darum muß es der
Christ für eine Pflicht ansehen, durch eine wahrhaft
christliche Sozial- und Wirtschaftspolitik die Menschen
aus dem Bann der Armut und Niedrigkeit zu befreien,
wie es Geschöpfen, die von Gott abstammen und in
einem Verhältnis zu ihm stehen, geziemt. Es ist
darum zu begrüßen und liegt durchaus auf der Linie
dessen, was Gott will, wenn durch eine technische In
strumentierung der Gesellschaft es erreicht werden
kann, die Menschen frei und glücklich zu machen, we
nigstens im Aeußerlichen des Organismus. Daß mit