Full text: Der Weg des Zentrums

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Gewiß — auch in der Sozialdemokratie bewegt sich 
ein anderer Geist. Das Wort des alten Wilh. Lieb 
knecht: Ich mag die Pfaffen nicht leiden, aber noch 
weniger die- Anti-Pfaffen, hat allmählich Kurs be 
kommen und jene rohe Religionsfeindschaft, wie sie 
vor vier und fünf Jahrzehnten gängig war, da 
bürgerliche Liberale und Publizisten den Atheis 
mus als fortschrittliches Prinzip predigten, ist in Ab 
nahme gekommen. Aber es wäre falsch, zu glauben, 
daß die Sozialdemokratie eine innerliche und positive 
Stellung zur Religion bekommen hätte. Wohl gibt 
es einen Bund religiöser Sozialisten und viele sozia 
listische Abgeordnete bezeichnen sich heute nach der 
Konfession, in der sie getauft sind. Aber wenn die 
kulturpolitischen Belange in religiös formulierten 
Forderungen erscheinen, dann zieht sich kaum erwachtes 
religiöses Gefühl in die banalste Schlagwort-Literatur 
zurück. 
Und die bürgerliche Demokratie? Ist sie nicht 
von ödestem Kulturkampfgeist befangen? Gewiß 
nicht vom Kulturkampfgeist der 70er und 80er Jahre, 
dessen Vertreter ihren Antagonismus gegen Religion 
und Kirche mit gehässigen und antiliberalen Polizei 
matzregeln bekundeten, aber die Art und Weise, wie 
auch die bürgerliche Linke Stellung in Sachen des 
Reichsschulgesetzes nimmt, beweist klar, daß sie sich der 
Omnipotenz des Staates bedienen will, um den freien 
Bürger in seiner religiösen Meinung zu vergewaltigen. 
Denn was ist es anderes, als eine Vergewaltigung, 
wenn man den Eltern das Recht nehmen will, die 
religiöse Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen? Will 
die Demokratie im Interesse der liberal-religiösen 
Weltanschauung das alte demokratische Prinzip vom 
Recht der Familie auf das Kind außer Kraft setzen? 
Die Demokratie hätte alle Veranlassung, den alten 
römisch-heidnischen Gedanken von der Allmacht des 
Staates aufzugeben und der Familie ihr unveräußer-
	        
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