Spezieller Teil.
oft zur Aggravation (siehe S. 121), gelegentlich zu wahn-
haftem Querulieren (siehe S. 135). Meist Klagen über Kopf-
schmerz, Schwindel, Schwäche, Reizbarkeit, Missmut, Arbeits-
unlust, Vergesslichkeit, Schlaflosigkeit. Zuweilen Anfälle
hysterischer Bewusstseinstrübung. (Siehe dort!) Meist grosse
Suggestibilität, daher Vorsicht bei der Untersuchung.
Psychopathie und Degeneration.
Bei abnormer (psychopathischer) Veranlagung findet sich der
degenerative Charakter: Mangel an Stetigkeit (Instabilität),
jäher Wechsel der Stimmungen (vgl. Cyclothymie S. 130), Un-
fähigkeit, Mass zu halten oder Ausdauer zu zeigen, Unberechen-
barkeit, Ueberwuchern der Phantasie, starke Ungleichmässigkeit der
Befähigungen, eventuell Intoleranz gegen Alkohol. Der degenerative
Charakter deckt sich zum grossen Teil mit dem hysterischen,
vgl. S. 156. Vielfach finden sich körperliche Entartungszeichen
(siehe S. 18).
Solche geistig minderwertigen Personen, die meist deutliche
hereditäre Belastung aufweisen, stehen dauernd an der Grenze des
Normalen, neigen zu Alkohol- und Morphiummissbrauch, zu
Zwangsvorstellungen und überwertigen Ideen und können sehr
leicht infolge äusserer Schädlichkeiten, bes. psychischer Er-
regungen (Untersuchungshaft!) an vorübergehenden Psychosen
erkranken. Unter den Verbrechern befinden sich zahlreiche
Psychopathen mit Neigung zu vorübergehender geistiger Er-
krankung. Derartige Psychosen, wie sie nach Verhaftung oder
Verurteilung ausbrechen und oft mit Uebertreibung gemischt
sind, erscheinen aus der Situation geboren und verschwinden
mit dieser: Situationspsychosen.
Die häufigsten Formen sind ausser hblossen Erregungszu-
ständen:
a) Dämmerzustände mit Vorbeireden (vgl. S. 89 u. 157).
b) Stupor (siehe S. 157).
c) Phantastische Wahnbildung (S. 134), Querulanten (S. 135).
Paranoia-Gruppe.
Die Existenz der Paranoia als selbständiges Krankheits-
bild wird von manchen Autoren in Zweifel gezogen. Nament-
lich die akuten Formen werden teils zum manisch-depressiven
Irresein, teils zur Katatoniegruppe gerechnet. Aber auch die
chronische Paranoia wird von einzelnen sehr eingeengt oder
kurzweg mit der Dementia paranoides vereinigt (vgl. S. 146).
Neuerdingsbevorzugt Kraep elin für paranoide Erkrankungen,
die nicht zum fortschreitenden Zerfall der psychischen Per-
sönlichkeit führen, den Namen Paraphrenie.
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