Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Status somaticus. 
Schliessen Sie die Augen! Geben Sie mir die Hand!“ usw. (Man 
vermeide dabei selbst jede Bewegung!) Weiter lasse man Worte 
nachsprechen, zählen, rechnen, bekannte Reihen aufsagen (Monate, 
Wochentage usw.). Bilder werden oft schlechter bezeichnet als 
Gegenstände; Teile des eigenen Körpers (Nase, Ohr usw.) gewöhn- 
lich am besten; doch kann durch Apraxie (siehe S. 43) Unfähig- 
keit bestehen, diese richtig zu zeigen, obgleich Aphasie fehlt! 
Vielfach hilft es den Kranken, wenn sie ausser dem Gesicht einen 
zweiten Sinn zu Hilfe nehmen dürfen, z. B.: den Schlüssel be- 
tasten, an der Uhr horchen (optische Aphasie). Man soll sich 
auch, während man Aufforderungen an sie richtet, anfangs den 
Mund verdecken, damit sie die Lippenbewegungen nicht sehen. 
Gelegentlich bleibt das Zahlenverständnis relativ gut erhalten, 
und Geldstücke werden richtig benannt. 
Ferner lasse man einfache Figuren nachzeichnen, nach Kopie 
und Diktat schreiben, laut lesen. Oefters bleibt allein die Unter- 
schrift zu schreiben möglich. 
Die sogenannte innere Sprache prüft man bei den moto- 
rischen Aphasieformen zweckmässig, indem man dem Patienten 
kompliziertere Aufträge erteilt: Er soll von einem Kartenspiel die 
einzelnen Karten auf den Tisch legen und jede 6. Karte um- 
wenden. Er soll von zwei roten und einer blauen Karte die eine 
rote Karte auf die Erde werfen, die zweite dem Untersucher geben, 
die blaue in die Tasche stecken. Kr soll dreimal an die Wand 
klopfen, dann die Türe öffnen und schliessen, einmal um den 
Stuhl herumgehen und sich setzen. Gibt der Kranke an, zu 
wissen, wie das Wort heisst, und es nur nicht aussprechen zu 
können, so mag man ihm auftragen, mit den Fingern zu zeigen, 
wieviel Silben das Wort hat. (Indessen gehört hierzu eine ge- 
wisse Schulbildung.) Oder man spreche die Buchstaben vor und 
lasse daraus das Wort bilden, was selten gelingt und auch bei 
blosser Demenz unmöglich sein kann. (Grasheys Phänomen, 
SD 
Alexie nennt man die Unfähigkeit zu lesen, meist ver- 
bunden mit sonsorischer Aphasie, seltener isoliert oder bei op- 
tischer Aphasie. Amusie nennt man den Verlust des Verständ- 
nisses für Musik. (Ueber Agraphie siehe S. 43.) 
Aphasie kann durch die verschiedensten Gehirnläsionen 
hervorgerufen werden (Apoplexie, Embolie, Trauma, Tumor, 
Abszess usw.). Als länger dauerndes Symptom findet es 
sich vor allem hei Arteriosklerose des Gehirns mit Thrombose 
und Erweichungen (Arteriosklerotische Demenz und Dementia 
senilis); dann anfallsweise besonders bei Dementia paralytica, 
Lues cerebri, Hirnarteriosklerose; ferner in epileptischen 
Verwirrtheitszuständen und nach epileptischen Anfällen 
ganz kurz. 
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