Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Bewusstseinstrübungen. J 
Ueberall bei diesen Zuständen handelt es sich um 
schwere körperliche Störungen, die zu einer Schädigung 
der Gehirnfunktionen geführt haben. Stets nehme man 
einen sorgfältigen somatischen Status auf. 
Man denke besonders an Commotio cerebri, an Tumor des 
Gehirns (Pulsverlangsamung), Apoplexie (Röte des Gesichts), 
Typhus (Fieber), an Vergiftungen aller Art, Urämie (Zuckungen). 
Im Coma diabeticum besteht hochgradige Hypotonie der Bulbi mit 
Verbiegung der Kornea. Bei Morphiumvergiftung findet sich 
Miosis, im postepileptischen Sopor oft Babinskischer Zehenreflex 
und frischer Zungenbiss, bei Scopolamin-Intoxikation Mydriasis 
und Babinski. Auf Dementia paralytica können differente und 
verzogene lichtstarre Pupillen den Verdacht lenken; auf Menin- 
gitis Augenmuskelstörungen, Differenz der Pupillen, Nackensteifig- 
keit und Opisthotonus. Besteht nur Somnolenz, darf man hoffen, 
durch Prüfung von aktiven und passiven Bewegungen etwaige 
Lähmungssymptome an den Extremitäten nachzuweisen. Kernig- 
sches Zeichen bei Meningitis s. S. 50! Auf Facialisdifferenz und 
das Verhalten der Hautreflexe am Rumpfe ist ebenfalls zu 
achten, der Geruch der Respirationsluft ist zu prüfen. Augen- 
spiegel, Urinprobe und Lumbalpunktion können Aufklärung bringen. 
Ferner hat die Differentialdiagnose zu berück- 
sichtigen, dass auch der rein psychisch bedingte Stup.or, 
durch motorische Hemmung "eine Reaktionslosigkeit auf 
äussere Reize zustande zu bringen vermag, obgleich die 
Auffassung erhalten sein kann. 
Hier sind aber alle Reflexe vorhanden. Die Pupillen sind 
nicht eng wie im Schläfe. Hebt man die passiv gesenkten Lider, 
bleiben die Augen offen ohne Lidschlag und fixieren nicht, oder 
die Augen werden aktiv zugekniffen, die Bulbi fliehen unter die 
Oberlider, wenn man die Oeffnung zu erzwingen sucht. Der Puls 
ist meist mittelschnell, kräftig und regelmässig. Vielfach wird 
passiven Bewegungen aktiver Widerstand entgegengesetzt, oder es 
finden sich Katalepsie, Flexibilitas cerea, Schnauzkrampf (vgl. S. 88). 
Die Kranken verharren in unbequemen Lagen, die eine Willens- 
anspannung voraussetzen, umschliessen irgendwelche Gegenstände 
krampfhaft mit der Faust, haben einen Zipfel des Betttuches 
zwischen den Zähnen, geben ihn nicht her. Manche lächeln, wenn 
man scherzend zu ihnen spricht, sie kitzelt. Bei Unterdrückung 
der Reaktion auf schmerzhafte Reize (Nadelstich) kommt es häufig 
zur Rötung des Gesichts, Spannung in der Muskulatur, Ansteigen 
des Pulses. Oefters wechseln die Kranken von Zeit zu Zeit ihre 
Lage, blinzeln, wirken unangenehmen Massnahmen zweckvoll ent- 
gegen, ziehen z. B. die zurückgeschlagene Decke wieder hoch. 
Durch Zureden, Anspritzen, Faradisieren sind viele (besonders 
beim hysterischen Schlafanfall, Lethargus) mit einem Schlage aus 
SE
	        
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