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Vorstellungen und durch Angstaffekte, wie ich bereits hervorgehoben
habe. Es kann. unter Umständen der pathologische Rausch fast den
Charakter eines abortiven deliranten Zustandes gewinnen (pseudo-
ivresse delirante).
Die Angst kann gegenstandslos sein und sehr hohe Grade er-
reichen und kann ähnlich wie beim Raptus melancholieus zu Mord-
und Selbstmordversuchen führen, sie kann aber auch zur vollen Ver-
zweiflung ansteigend, sich mit schweren ängstlich-phantastischen
Furcht-, Schreck- und Ueberwältigungsideen verbinden. Dazu kommt.
gewöhnlich eine mehr oder weniger starke Desorientiertheit (HE1L-
BRONNER), Wobei die veränderte Vorstellung der Außenwelt eine große
Rolle spielt. Die Sinnestäuschungen sind meist optisch und
haben häufig den gleichen Charakter wie bei dem ängstlich gefärbten
Delirium tremens, massenhaft schreckliche Tiere, Schlangen, Ge-
würm usw. Die Gehörstäuschungen sind meist insultierenden, bedroh-
lichen Charakters. Die Kranken hören tuscheln, Leute an der Tür
vorbeischleichen, hören Schritte hinter sich oder vernehmen kurze
Schimpfworte, „jetzt geht der Lump“, „weg muß er“, „ins Irrenhaus.
gehört er“ usw. (HEILBRONNER). Wahnhafte Bildungen, entsprechend
der angstvollen Desorientiertheit, sind häufig (Möntt, HEILBRONNER).
Auch Eifersuchtswahnideen können hineinspielen. Ebenso findet man
in seltenen Fällen noch maniakalische Erscheinungen.
Wichtig zur Diagnose gerade der pathologischen Bewußtseins-
störung ist neben der mehr oder weniger ausgeschalteten Erinnerung‘
die Erkenntnis, daß die Handlungen und Reden während des Zu-
standes transitorischer Bewußtseinsstörung dem betreffenden Indi-
yiduum selbst als ein vollständig fremdartiges Produkt seiner geistigen
Tätigkeit vorkommen.
Die Bewußtseinsstörung ist meist eine recht hochgradige, ent-
sprechend diesem Faktum ist auch die Erinnerung häufig sehr defekt,
oft besteht völlige Amnesie.
Gelegentlich gelingt es auch, bei dem pathologischen Rausch eine
Veränderung in der Pupillenreaktion nachzuweisen (träge reagierende
und lichtstarre Pupillen).
Man hat sich mit Recht daran gestoßen, daß man diese schweren
Zustände als pathologischen Rausch bezeichnet, weil ja gewissermaßen
jeder Rausch einen pathologischen Zustand darstellt und hat deshalb
die Bezeichnung komplizierter Rausch und pathologische
Alkoholreaktion vorgeschlagen, ohne daß sich diese Bezeichnungen
recht eingebürgert haben.
Die Trennung des pathologischen Rausches von dem „normalen“
Rausch kann forensisch von großer Wichtigkeit werden. Im all-
gemeinen wird man sagen können, daß man nur den Rausch als
pathologisch in forensischem Sinne wird bezeichnen
können, bei dem wir pathologische Momente nach-
weisen können, die den Rausch beeinflußt haben.
Forensisch ist der pathologische Rausch namentlich deswegen von
Wichtigkeit, weil er häufig Veranlassung zu Gewaltakten (Totschlag,
Brandstiftung u. dergl.) ist.
Die Dipsomanie (Quartalsäufersucht).
Die Dipsomanie findet man fast nur bei schwer belasteten,
degenerativ veranlagten Individuen. Selten kann man bestimmte
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