Den R. WOLLENBERG,
sation des Tumors im Gehirn herauszufinden, haben bis jetzt
zu sicheren Resultaten nicht geführt.
Am verführerischsten erscheint es, dem Stirnlappen, mit Rück-
sicht auf die ihm wohl. mit Recht zugeschriebene besondere Bedeu-
tung für die höheren psychischen Funktionen und die obenerwähnte
relative Häufigkeit psychischer Störungen bei Stirnhirn-
tumoren, in dieser Hinsicht eine Sonderstellung anzuweisen, zumal
nach der allgemeinen Erfahrung in der Tat bei Tumoren dieser
Lokalisation gewisse psychische Krankheitszeichen wie Charakter-
yeränderung und eigenartige Zustände läppisch-hei-
terer Aufregung (Moria, Witzelsucht) besonders häufig sind.
— Daß diese Form der Geistesstörung in der Tat bis zu einem ge-
wissen Grade als für Stirnhirntumoren spezifisch angesehen werden
darf, erscheint wahrscheinlich. Der eigentümliche Humor mit
Neigung zu witzelnden Bemerkungen, der das Charak-
teristische des Zustandes ausmacht, kommt aber, wie allgemein
zugegeben wird, auch bei Tumoren ganzanderer Lokali-
sation vor und findet sich gelegentlich auch bei anderen Gehirn-
erkrankungen, z. B. bei multipler Sklerose. Mat hat deshalb in
neuester Zeit das Symptom als echtes Allgemeinsymptom
aufgefaßt, daß sich meist auf dem Boden eines durch die Geschwulst
direkt oder indirekt bedingten Verblödungsprozesses entwickle. Die
Tatsache, das es bei Tumoren des Stirnhirns häufiger als bei solchen
anderen Sitzes gefunden wird, erklärt. sich dann dadurch, daß .Ge-
schwülste dieses Hirnteiles meist Neigung zu relativ langer Krank-
heitsdauer und besonderer Größenentwicklung zeigen und damit Ge-
legenheit zu intensiverer Schädigung der Hirnrinde und Hervor-
rufung einer psychischen Erkrankung haben, während sie deutliche
Lokalerscheinungen sehr oft nicht bedingen (Ep. MÜLLER).
Demnach weistdas frühzeitige und hervorstechende
Auftreten geistiger Erkrankungen bei Gehirntumoren,
unter der Voraussetzung, daß nicht andere Momente
(psychopathische Belastung, frühere psychische Ano-
malien)dieseerklären, mit einer gewissen Wahrschein-
lichkeit auf den Sitz des Tumors im Stirnhirn.
Die Diagnose und Prognose der Geistesstörungen bei Hirntumor
fällt im allgemeinen mit der des letzteren zusammen. — In diffe-
rentialdiagnostischer Beziehung ist auf die ophthalmosko-
pische Untersuchung (Stauungspapille) besonderer Wert zu legen.
Therapie. In den Fällen, in denen eine operative Entfernung
des Tumors möglich ist, darf nach den bisherigen Erfahrungen auf
ein Verschwinden oder eine wesentliche Besserung der Geistesstörung
gerechnet werden.
Literatur.
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