Full text: Türkische Märchen

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verließ das Haus und die Stadt. Indem sie bis zum Morgen 
lief, kam sie in eine andere Stadt. Am nächsten Tage von 
dieser wieder in eine andere und so kam sie nach dreißig 
Tagen in die Residenz des Kaisers. Dort fand sie eine pas 
sende Wohnung und widmete sich der Erziehung Ferids. 
Als aber die Frau am nächsten Morgen aufstand und den 
Ferid und die Wärterin nicht vorfand, suchte sie sie über 
all. Da sie nicht wußte, wo sie waren, rief sie vom Feuer 
der Unruhe gefoltert aus: „Ach, was soll ich meinem Ge 
liebten sagen? Vielleicht wird er sich von mir trennen!“ 
Als der Wechsler die Sachlage erfuhr, gab er die Frau auf 
und kam nicht wieder. Schließlich starb er, da sein Kum 
mer untröstlich war, an Sehnsucht nach dem Vogelkopf. 
Nach einiger Zeit kam auch der Asket wieder von der 
Pilgerreise gesund zurück. Als er weder den Vogel noch 
seinen Sohn noch die Wärterin vorfand, fragte er, wo sie 
seien. Die Frau sagte weinend: „Ach mein Herr, mögest 
du wenigstens am Leben bleiben! Sie sind alle gestorben. 
Durch die Trennung von ihnen bin ich in diese Lage ge 
kommen, daß die Rosen meiner Wangen zu Bernstein ge 
worden sind.“* 
Ferid nun, zu dem wir uns jetzt wenden wollen, war 
herangewachsen und hatte Freude am Reiten und fing an, 
auf die Jagd zu gehen. Als er einmal wieder zu Pferde auf 
die Jagd ging, kam er an dem Sommerhause für den Harem 
des Kaisers vorbei. Der Kaiser hatte nun eine reizende 
Tochter, die einem Sterne glich. Als sie aus Langweile aus 
dem Fenster schaute, fiel ihr Blick auf Ferid, und sie ver 
liebte sich von ganzem Herzen in ihn. Als Ferid in das 
Fenster schaute und das Mädchen sah, verliebte er sich 
gleichfalls in sie. Beide suchten jetzt nur nach einem Mittel 
für ihren Liebesschmerz. Der arme Ferid ging jeden Tag 
unter dem Vorwand, daß er auf Jagd gehe, an ihrem 
Fenster vorüber und schaute nach dem Mädchen, während 
* D. h.sie sind gelb geworden, was unserem Bleichwerden ent 
spricht.
	        
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