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Sechster Teil.
Im übrigen stand die von der vorigen Regierung eingeleitete
Verstaatlichung der Königsberger Akzise fürs erste im Vordergrunde.
Eine Beschwerdeschrift der Kaufleute und Mälzenbräuer-Zünfte über die
Ursachen, wodurch die dortige Handlung in Abnehmen gebracht werde,
führt insonderheit die Administration der Akzise, die den Fremden
wieder zugestandene freie Salzaufschüttung und die gar zu weit ex—
tendierte Liegerordnung an. Die Regierung wurde beauftragt, diese
Punkte wohl zu erwägen und einige der Handlung verständige Leute
deshalb zu vernehmen!). Sie wandte sich deswegen, wie es scheint, ledig⸗
lich an Vertreter der einen Partei, der Bürger-Kaufleute, wenn auch mit
der Mahnung, die einzelnen Punkte vornehmlich in der Absicht auf
das wahre allgemeine Beste und was zur Beförderung der Kommerzien
gereichen, mithin dem Königlichen Interesse ersprießlich sein könne, zu
überlegen. Eine Aufforderung allerdings, die bei Interessevertretern
damals noch weniger als heute auf Erfolg rechnen konnte. In Königs—
berg ist man damit wohl auch nicht weiter gekommen, jedenfalls wurde
die Untersuchung schon bald nach Berlin gezogen, indem Bürgermeister
Negelein am Ende des Jahres auf Königliche Anordnung dahin reiste,
und nun im Generalkommissariat die streitigen Angelegenheiten, vor
allem die Akzise-Einrichtung, verhandelt wurden. Es ist auch dies
bezeichnend für die neue Regierung: der König will in die vielfach
fremdartigen, vom Streit der Parteien verwirrten und verdunkelten
Königsberger Verhältnisse selbst hineinsehen und eingreifen können, mehr
als es auf dem sonst üblichen Behördenwege möglich ist; er bedient
sich dazu einer Vertrauensperson, und zwar eines Mannes, der selbst
dem Königsberger Bürger- und Kaufmannsstande angehörte, der aber
an Einsicht und Kenntnissen unter seinen Mitbürgern hervorragte und
durch maßvolle Besonnenheit zum Ratgeber und Vermittler geeignet
erschien. Es ist eben dieser Ägidius Negelein, der in der Doppel—
stellung als Königsberger Bürgermeister und Königlicher Hofrat, bald auch
durch Verleihung des Adels ausgezeichnet, die neue Ära einer nüheren
Verbindung der städtischen und staatlichen Interessen verkörpern sollte.
Bei den Berliner Verhandlungen im Anfang des Jahres 1715
hatte er als Einzelner schon wegen der Fülle der Materien einen harten
1) Restr. vom 20. September 1714 (A. S. B. Ilgen, Blaspiel, Kameke,
Creutz, Plotho. Kbg. 74 a).