6. Seehandel und schiffahrt.
Die großen maritimen Pläne waren in Brandenburg-Preußen
schon vor 1713 abgetan, und Friedrich Wilhelm J. war am weitesten
davon entfernt, sie je aufzunehmen. Der Gedanke an eigene staatliche
Schiffahrtsunternehmungen, auch nur auf Binnengewässern, oder an
staatliche Beteiligung an solchen ist unter ihm nie aufgekommen. Für
ihn war die Schiffahrt nichts anderes als ein nützliches und not—
wendiges Privatgewerbe, das mit dem Handel eng zusammenhing und
gefördert werden mußte. Es wurde daher die unter dem Großen
Kurfürsten begonnene Unterstützung des Seeschiffbaus durch Zahlung
von Baugeldbeiträgen und danach durch Lizentvergünstigungen fortgesetzt,)
und die Reederei an den preußischen Küsten hat dadurch auch lang—
sam zugenommen. Allerdings war sie noch immer in jeder Hinsicht,
an Zahl wie an Größe der Schiffe und an Kapitalien, sehr gering—
fügig und kam gegen die beherrschende Frachtschiffahrt der Holländer
und Engländer kaum in Betracht.
Der Warenverkehr zwischen den preußischen Küsten und den
übrigen Ländern wurde nahezu ausschließlich durch holländische und
englische, durch schwedische und dänische Schiffe vermittelt. Auch
der wichtige Verkehr mit Frankreich, von wo Salz und Wein kam,
geschah durch holländische Schiffe.) Als aber Frankreich den
holländischen Kaufleuten keine Pässe mehr erteilen wollte, weil die
Generalstaaten den französischen Schiffern auch keine für Westindien
gaben, so wurden die Königsberger Kaufleute im Anfang 1710 von
Berlin aus aufgefordert,? selbst eine freie Schiffahrt nach Frankreich
zu pflegen. Diese waren dazu bereit, mußten aber zunächst Schiffe
bauen und kaufen und hatten am Ende des Jahres eine Reederei, wie
sie noch nie bei der Stadt gewesen war. Auf ihren Antrag wurde
noch nach England und Holland geschrieben,s) daß diese Staaten ihnen
die freie Fahrt nach Frankreich ebenso wie den Danziger und hanse—
) S. oben S. 565 f. u. Aktenst. 72.
2) Vgl. P. Boissonnade, Hist. des premiers essais de relations 6conomiques
directos entro la Prance et l'ôtat prussien 1643-1715, und Besprechung Rachel
in F. B. P. G. XXVII, J.
8) 6. Januar 1711 (R. 7 n. 197 11).