B. Auswahl und Rangfolge (543c4-545c7)
bie
pischen‘ Lebensweisen und vier typischen Glücksidealen des unge-
rechten Menschen. 243
; Damit deutet sich die Verbindung zur Themafrage des Dialogs
und zum Anliegen seiner Figuren an:?** Im Rahmen der von Glau-
kon und Adeimantos erbetenen Protreptik zum gerechten Leben
stellt Sokrates die wichtigsten Alternativen zum gerechten Leben
vor Augen. Denn es ‚besteht, wenn es um die Wahl des eigenen
Lebens geht, nicht nur die Wahlmöglichkeit zwischen Gerechtjg-
keit und Ungerechtigkeit, sondern es besteht auch die Wahl zwi-
schen. sehr unterschiedlichen Formen der Ungerechtigkeit. Wer nur
zeigt, daß: es nicht erstrebenswert ist, Tyrann zu sein, hat damit
noch nicht gezeigt, daß es erstrebenswerte Alternativen zur Ge-
rechtigkeit überhaupt nicht gibt.?® Sokrates läßt die Zahl der be-
merkenswerten ungerechten Lebensformen endlich erscheinen und
er führt diese. Möglichkeiten vor.
Zusammengenommen liefern die vier Darstellungen einen apago-
gischen Beweis: Wenn das Glück in der Erlangung von Gütern
wie Ehre, Geld; Freiheit oder Macht bestünde, wie viele Men-
243 Die sokratische Konzeption der Ungerechtigkeit ist objektivistisch. Thrar
symachos hatte in Buch I die Gerechtigkeit als den Vorteil des Stärkeren be-
stimmt und dies auf Nachfrage so erläutert: Jede Regierung erlasse die‘ Ge-
setze zu ihrem Vorteil und forme damit das Recht in ‘ihrem Sinne
(338 e1-339a 4). Wenn Sokrates Ordnungen wie die Timokratie, Oligarchie,
Demokratie und Tyrannis als ungerecht, bezeichnet, meint er damit primär
nicht, daß die Oligarchen gegen die Gesetze verstoßen, die sie selbst erlassen
haben (vgl. allerdings 548b6-7. 550d11-12. 563d7-e1); er meint, daß sie
gegen Gesetzmäßigkeiten verstoßen, die objektiv vorgegeben sind. Dahinter
steht der Gegensatz zwischen ‚Natur‘ und ‚Konvention‘ (@ügi6 und vöuos).
244-Vg1. Kap.1, B: ;
245 In diesem Zusammenhang gewinnt es an Bedeutung, daß Glaukon in
580a9-b7 über das Glück aller fünf Menschentypen urteilt. Auch das Urteil
über die Summe‘ des Lebensgenusses in 583a.4-11 bezieht sich auf alle dort
zur Debatte stehenden Menschentypen (das heißt: auf alle drei). Und eine
Rängfolge in Genuß und Glück aller fünf Menschentypen ist wiederum in
587a7-588a11 impliziert. Zwar betreffen die ausdrücklichen Argumente über
Glück und Unglück, Freude und Schmerz nur den gerechtesten und den unge-
rechtesten Menschen, wie auch in 544a7-8 und 545a6-8 angekündigt. Zu-
treffend stellt Gigon [1972 c] 78 fest, daß „in der.Einzelanalyse der Timokra-
tie, Oligarchie und Demokratie gerade die Frage nach Gerechtigkeit und Eudai-
monie faktisch kaum eine Rolle spielt“. Die Informationen, die der Leser benö-
tigt, um sich über” Glück und Unglück aller fünf Menschentypen klarwerden zu
können, sind in den Darstellungen aber durchaus enthalten.