Full text: Dialogform und Argument

B. Auswahl und Rangfolge (S43c4-545c7) 101 
Daß das Erklärungsmodell der ‚politischen Sympathie‘ spekulativ 
ist, wurde schon angedeutet; daß es auch überflüssig ist, sei im 
folgenden gezeigt. Denn es lassen sich unschwer andere und ein- 
sichtige Gründe für die in der ‘Politeia’gewählte Reihenfolge den- 
ken. 273 
Sparta und die Oligarchie sind zweifellos assoziativ miteinander 
verbunden. So hatte sich etwa der traditionelle Antagonismus zwi- 
schen Sparta und Athen zur Zeit des attischen Seebunds derge- 
stalt geäußert, daß Athen allenthalben demokratische, Sparta aber 
oligarchische Bestrebungen förderte und stützte;?’* auch das olig- 
archische Regime von 404 war durch Sparta unterstützt, und olig- 
archische Kritik an der Demokratie ging mit der Hochschätzung 
Spartas oft Hand in Hand. Schon diese Verbindung legte es nahe, 
die Oligarchie an die (ihrerseits mit Sparta assoziierte und als la- 
konische Ordnung eingeführte) Timokratie anzuschließen. 
Es lag aber nicht nur assoziativ nahe, sondern war auch günsti- 
ger für die Darstellung, die bereits von einer Gruppe, also quasi 
oligarchisch regierte Timokratie direkt in eine ‚echte‘ Oligarchie 
zu überführen, als die beiden der Struktur nach oligarchischen Sy- 
steme durch das Zwischenstadium einer Demokratie zu unterbre- 
chen, aus der sich dann erneut ein oligarchisches System hätte 
entwickeln müssen. Platon hat also den darstellerisch ökonomi- 
scheren und sinnvolleren Weg gewählt. 
In unserer ‘Politeia’ entwickelt sich die Timokratie als Kompro- 
miß zwischen guter Ordnung und Oligarchie, und schon diese Dar- 
stellung hat ihre Schwierigkeiten; ?’5 als Kompromiß zwischen der 
guten Ordnung und einer Demokratie hätte sich die Timokratie gar 
nicht herstellen lassen.?® Wenn die Timokratie eine Zwischenlö- 
sung sein sollte, dann hat Platon vielleicht die einzige, mindestens 
aber die vergleichsweise unproblematischste Lösung gefunden. 
Wenn aber die Timokratie folglich ein Zwischenschritt auf dem 
Weg zur Oligarchie war, so mußte sie natürlich auch in die Olig- 
archie (und nicht in die Demokratie) einmünden. 
273 Daß das politische Erklärungsmodell zudem die Konzeption der ‚politi- 
schen Ordnungen‘ in der ‘Politeia’ verkennt, wird in Kap.IV, G dargelegt. 
274 Vgl. z.B. Arist. Pol.1307 b 22-24. 
275 Vgl. den Kommentar zu 547b 1-c 8. 
276 Vgl. unten Anm. 768.
	        
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