A. Die Systematik des Wandels
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Jung spricht dafür, daß hier eher ein Schema als geschichtlicher
Verlauf eingekleidet als eine Überzeugung vom Verlauf der Ge-
schichte ausgedrückt wird. Um den Eindruck fortlaufender Ver-
schlechterung herzustellen, läßt Sokrates die Erziehung des Men-
schen, die zunächst im Sinne der vorhandenen Ordnung erfolgt,
grundsätzlich mißlingen:?% jm übrigen bedient sich Sokrates, um
ıaligarchischen Menschen zum tyrannischen zu machen (zu dieser zweckdienli-
chen Inkonsequenz vgl. unten S.267f.).
290 Die einschlägigen Stellen zur Erziehung und zur Vermittlung der Werte
und Normen: Timokratie. 546a7-b2: Auch die maıseia der guten Stadt garan-
tiert nicht Fehlerlosigkeit. — 546d5-547a1: Beginn der Vernachlässigung der
nxaseia; die Nachkommen werden weniger musisch und sind nicht mehr per-
fekt als Wächter des Prinzips der strikten Trennung der vier Geschlechter. —
547d7: Zu den guten Zügen der Timokratie zählt die Pflege der gymnastischen
Übung. — 548b7-c2: Die Timokraten sind nicht durch überzeugende Rede,
sondern mit Zwang erzogen worden. Gymnastik stand über Musik. Die Folge:
Die Gesetze werden nur nach außen hin eingehalten; bietet sich Gelegenheit,
sie heimlich zu umgehen, so tut man dies (vgl. 550d10-12). —
548 e4-549a7: Der timokratische Mensch besitzt noch Interesse an musischer
Bildung, ist aber nicht mehr hinreichend musisch gebildet, woraus sich z.B.
sein unangemessen harter Umgang mit Sklaven erklärt. Er ist ein Mann der
(sportlichen und kriegerischen) Tat, nicht ein Mann des (überzeugenden) Wor-
tes. 549a9-b7: Der timokratische Mensch besitzt nicht mehr den besten
Wächter der &pern, nämlich Aöyog verbunden mit musischer Bildung. Daraus
erklärt sich seine (mit wachsendem Lebensalter steigende) Anfälligkeit gegen-
über der Geldgier. — Oligarchie. 550 e4-551a6: Je mehr die Wertschätzung
des Reichtums steigt, desto mehr sinkt die Wertschätzung der d&oetn (vgl.
549a9-b7). — 552e5-8: Der Mangel an masSeia und schlechte Erziehung
(too@Hi) sind Mitursachen für das Vorhandensein verbrecherischer Elemente in
der Oligarchie. — 554b4-6: Der oligarchische Mensch hat kein Interesse an
xaıSeion. Daraus erklärt sich die Wahl des Lebensziels ‚Reichtum‘. —
(554 c12-d3: Der Oligarch kann auch die verschwenderischen Triebe in seinem
Inneren nicht ‚erziehen‘, d.h. überzeugen, sondern unterdrückt sie mit Gewalt:
vgl. 548b7-c2.) — 556b8-c7: Die Oligarchen erziehen weder ihre Kinder
noch kümmern sie sich um Erziehung oder die eigene dgetn. Sie werden dem-
zufolge immer schlechter (und auch daher resultiert der Zerfall der Oligarchie).
— Demokratie. 558 b1-c2: In der Demokratie fragt kein Mensch nach der Er-
ziehung des Politikers. Alle von Sokrates und den Partner entwickelten Maß-
stäbe bleiben unbeachtet. — 558c11-d6. 559d7 (vgl. 572c2): Der künftige
Demokrat übernimmt die Lebensorientierung des Vaters rein imitativ, ohne daß
dieser erzieherisches Bemühen zeigt. Auch er kann seine Triebe nicht durch
Überzeugung, sondern nur mit Gewalt beherrschen. — 560a9-b2: Daß der
Vater nicht zu erziehen versteht, bewirkt das unvermerkte Heranwachsen und
Erstarken zahlreicher nichtnotwendiger Triebe. — 560b7-c1: Diese können
die Seele des Jungen erobern, weil diese von lobenswerten Kenntnissen und