Full text: Dialogform und Argument

C. Die Bedeutung des Wandels 
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Aristoteles merkt im Rahmen seiner Kritik am sokratischen Ver- 
Fassungswandel der ‘Politeia’ an,%® Sokrates versäume die Mittei- 
lung, ob sich auch die Tyrannis wandle, in welche Ordnung sie 
gegebenenfalls einmünde und aufgrund welcher Ursache dies ge- 
schehe; dieses Versäumnis sei damit zu erklären, daß Sokrates 
selbst nicht leicht eine Antwort habe geben können; denn nach 
Sokrates hätte sich die Tyrannis wieder zur guten Ordnung wan- 
deln müssen, damit sich ein zusammenhängender Kreislauf ergebe; 
in Wahrheit jedoch sei der Verlauf unbestimmbar, und Tyranneis 
wandelten sich in alle möglichen Ordnungen. 3% 
Aristoteles deutet damit an, Sokrates habe absichtlich ver- 
schwiegen, in welche Ordnung sich die Tyrannis wandle, weil sie 
sich bei ihm nur zur guten Ordnung hätte wandeln können; letzte- 
res werde jedoch von der historischen Realität widerlegt. Die Kri- 
tik besagt also, das sokratische Schema und die Realität wären 
nicht in Übereinstimmung zu bringen gewesen, und Sokrates habe 
dies verdecken wollen. Vorausgesetzt ist dabei, daß Sokrates ei- 
nen historischen Verlauf habe schildern wollen.?® Hinzu kommen 
aber offensichtlich noch andere Mißverständnisse: 
In 546 a6 hatte Sokrates die Musen von Fruchtbarkeitszyklen der 
Lebewesen sprechen lassen; unmittelbar davor (546a2) war von 
393 Siehe oben S.139f. Es handelt sich im folgenden um den dritten der dort 
genannten sechs aristotelischen Kritikpunkte. 
3% Arist. Pol.1316 a 25-34 £tı 52 tvogavviS0og 00 AEyeı ot’ el KotaL ueETAßOAH 
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395 Zur Unrichtigkeit dieser Voraussetzung oben S.140-143. Träfe sie zu, so 
wäre die aristotelische Kritik sachlich durchaus berechtigt, wie Kurt von Fritz 
zrläutert hat: Zwar bleibe schwer entscheidbar, ob die aristotelische Kritik be- 
sagen wolle, daß Platon einen Kreislauf zwar intendiert, aber nicht beschrie- 
ben habe, oder ob gegen Platon der Vorwurf erhoben werde, er habe an einen 
Kreislauf gar nicht gedacht (dazu vgl. H.-J. Horn, AGPh 67, 1985, 292f.); in 
jedem Fall aber ergäbe sich, wenn in der ‘Politeia’ die Darstellung eines histo- 
rischen Verlaufs beabsichtigt wäre, die absurde und der geschichtlichen Erfah- 
rung widersprechende Konsequenz, daß nach einer bestimmten Zeit nur noch 
Tyranneis vorhanden wären (Fritz [1954] 66).
	        
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