A. Die Einführung des Analogieverfahrens
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zu erreichen, führt er folgende Überlegung ein:#5 Gerechtigkeit
sei eine Eigenschaft nicht nur des einzelnen Menschen, sondern
auch der Polis im ganzen,*#® leichter zu erkennen jedoch bei der
Polis, die das Größere sei;*!’ es sei daher angezeigt, die Gerech-
tigkeit zunächst bei der Polis zu bestimmen, dann eine analoge
Prüfung auch beim Menschen durchzuführen, wobei man an der
Gestalt des Kleineren die Ähnlichkeit mit dem Größeren überprü-
fen wolle.
Eingeführt wird die Behandlung der Polis und die politische The-
matik der ‘Politeia’ demnach als Mittel zum Zweck; ob dies der
logischen Hierarchie in der ‘Politeia’ tatsächlich entspricht oder ob
hier nur „ein Fall von Friedländers ‚ironischer Gewichtsverschie-
bung“ vorliegt, #8 wird zu prüfen sein.“l9? Festzuhalten sind drei
Punkte: 1. Die Rede vom größeren und kleineren Studienobjekt
verdeckt wichtige Unterschiede zwischen Polis und Seele, etwa
den, daß die Polis ein sichtbares, die Seele aber ein unsichtbares
Studienobjekt ist; dies kann kaum ohne Einfluß auf die Methode
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46 Die Antithese d&vöäpdg &vöc-— 5Ang mölewc deutet bereits an, daß Sokra-
tes mit dem Terminus Polis hier nicht das staatliche Gebilde, sondem die Ge-
meinschaft der Bürger assoziiert; dem einzelnen Bürger tritt die Gesamtheit
ler Bürger gegenüber. — In diesem Sinne (mit anderer Begründung) auch Vla-
stos [1977] 13-18, der schreibt, daß “the mxöAıg whose happiness and excel-
lence is the end of all just conduct within its frontiers can be nothing but the
people themselves who are its members — all of them in all of their institu-
tionalized interrelations” (14). Die gerechte Polis ist also nicht der Rechts-
staat, die Relation zwischen dem Einzelnen und der Polis nicht die zwischen
Bürger und Staat, sondern die zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft:
vgl. unten S.190-193.
47 Gerechtigkeit als Qualität von Handlungen bleibt hierbei außer acht. Vgl.
5.24f,
418 So Gadamer [1985/91] VII 283f.
419 Dazu unten in Abschnitt E.