Full text: Dialogform und Argument

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IV. Die Analogie zwischen Polis und Seele 
Seele und dem Sachverhalt, daß die Gerechtigkeit der Polis als 
ein bestimmtes Verhalten ihrer Bestandteile bestimmt worden war, 
erstens auf den Sachverhalt, daß auch die Seele Bestandteile hat, 
zweitens sogar auf gleiche Zahl und Gleichartigkeit ihrer Bestand- 
teile im Vergleich zur Polis.*2® Damit wird die Prüfung der Frage, 
ob sich die Analogie bestätigen läßt, zur Prüfung der Frage, ob 
sich in der Seele drei Instanzen finden lassen, die den drei Stän- 
den der Polis entsprechen. “27 
An der Korrektheit dieser Umformulierung darf man zweifeln: 
Wenn Polis und Seele gerecht sind, die Gerechtigkeit in der Polis 
aber darin besteht, daß ihre Bestandteile (die Stände) ‚das Ihre 
tun‘, #8 so folgt daraus nicht zwingend, daß auch die Gerechtigkeit 
der Seele darin besteht, daß ihre Bestandteile das Ihre tun. Eben- 
sogut könnte z.B. die Gerechtigkeit des einzelnen Menschen und 
der einzelnen Seele einfach darin bestehen, das Seine bzw. das 
Ihre zu tun, die Gerechtigkeit der Polisgemeinschaft aber darin, 
daß alle ihre Mitglieder das Ihre tun. Auf den Sachverhalt, daß 
auch die Seele Bestandteile hat, die innerhalb der Seele das Ihre 
tun, läßt sich also auch dann, wenn Polis und Seele die Eigen- 
schaft der Gerechtigkeit teilen und die Gerechtigkeit korrekt be- 
stimmt ist, nicht schließen. Erst recht nicht legitim ist der Schluß 
auf gleiche Zahl und Art der Bestandteile: Auch wenn die Gerech- 
tigkeit eines beliebigen x darin besteht, daß x Bestandteile hat, 
die das Ihre tun, läßt sich aus dem Sachverhalt, daß A und B'ge- 
recht sind, nicht folgern, daß A und B gleichviele und gleichartige 
Bestandteile haben.®? Obgleich Sokrates hier (mit leichtfertiger 
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428 Etwa 432b2-434d1. 
429 Ebensowenig läßt sich schließen, daß mit der Formel ‚das Seine tun‘ 
auch nur annähemd gleichartige Tätigkeiten verbunden sind. Vgl. vielmehr 
Anm.44.
	        
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