B. Die Ausweitung des Analogieverfahrens
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Zustimmung des Partners) so formuliert, als ziehe er Folgerungen
aus dem bereits Zugestandenen, weitet er in Wahrheit die Analo-
gie drastisch aus; die Annahme, der Autor wüßte nicht, was er
seinen Sokrates hier tun läßt, ist angesichts des unmittelbaren
Kontexts der Stelle sehr unwahrscheinlich. 429
Durch die (logisch unzulässige) Ausweitung wird aus der punktu-
ellen Ähnlichkeit, daß Polis und einzelner Mensch gerecht oder
ungerecht sein können, eine Ähnlichkeit im Aufbau von Polis und
menschlicher Seele.%®1 Platons Sokrates hat damit, ohne dies an-
zuzeigen oder zu thematisieren, Status und Geltungsbereich der
Analogie zwischen Polis und Seele grundlegend verschoben und er-
weitert. *°? Für das Folgende hat dies beträchtliche Auswirkungen.
Unter anderem wird es jetzt möglich, Mensch (oder menschliche
Seele) und Polis als einander ähnlich zu bezeichnen. Dies ge-
schieht erstmals in 442 e 4-5,%*3 dann wieder in 541b3;%*4 ab Buch
430 Genau an dieser Stelle nämlich folgt die bemerkenswerte und oft kom-
mentierte sokratische Bemerkung, zuverlässig werde man dies (ob die Seele
die drei den Ständen entsprechenden Teile hat?) aus Methoden wie den hier
verwendeten wohl nicht erschließen können (vgl. oben Anm.76); hinter dem
bisher Gesagten und Geprüften allerdings würden die Ergebnisse an Zuverläs-
sigkeit wohl nicht zurückstehen (ein Statement, das für die Annahme, die Aus-
führungen in ‘Politeia’ II-IV seien eine von Platon emsthaft vertretene Doktrin,
im Grunde vernichtend ist): 435c9-d9 aiveraı, Hv 5° &yO. xal EU y’ LOL, ©
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— WM Tolvuv AroxdunG, En, dAAd ox6ne.. — Vgl. auch S.284-288.
%1 Moline [1978] 2f. spricht von “a structural and functional isomorphism
between polis and psyche”; weshalb die bloße Analogie für Sokrates’ Beweis-
ziel nicht hinreicht, führt er auch in späteren Arbeiten aus (v.a. Moline
[1988]). Zu den logischen Problemen, die diese strukturelle Analogie aufwirft,
vgl. den Kommentar zu 544d6-e6; zu den Konsequenzen, die sie für die
Konzeption der ‚seelischen Ordnung‘, aber auch der ‚politischen Ordnung‘ hat,
s.u. die Abschnitte F und G.
432 Anders Borsche [1996] 100-102, der aber den Befund nur ganz partiell
zur Kenntnis nimmt.
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