Full text: Dialogform und Argument

G. Die Konzeption der politischen Ordnung 
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die Analogie zwischen Polis und Seele wahren zu können, ganz 
andere Schwerpunkte: Die ‚Verfassungen‘ der ‘Politeia’ unterschei- 
den sich primär nicht hinsichtlich der Verteilung der Macht, son- 
dern hinsichtlich des in ihnen dominierenden Strebens. Ab Buch 
IX kann (metaphorisch) auch die seelische Ordnung selbst, die 
Charakter und Streben vorgibt, ‚politeia‘ heißen.°% — Die Refe- 
renz des Dialogtitels ‘“Politeia’ ist also mindestens erheblich schil- 
lernder, als die traditionelle Wiedergabe ‘Staat’, die zu einseitig 
den politischen Aspekt hervorhebt, suggeriert. 
Ad 2: Die relativ größere Offenheit der Begriffe kommt dem 
Modus sokratischer Gesprächsführung entgegen. Sokrates verwen- 
Zahl, Art oder Herkunft der Herrschenden, sondern nach den vorherrschenden 
Lebenszielen; in der Timokratie etwa bleiben Herkunft und politische Stellung 
der Herrschenden gänzlich unspezifisch. 
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(sc. den Kindern) Gone £&v nöleLt MoAltelav XxataOtHOwWUEV. S91e1 
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TOLNTNV PNOOUEV XaxXTıV NOolıteEiLAV Lölg Exdotou tn WYuXH EumoLeELv. Dazu 
Hoerber [1944] 55f. 
537 Daß ‚Politik‘ und Ethik in der Antike enger verbunden sind als heute, ist 
sine wohlbekannte Feststellung, die freilich nicht den Blick dafür verstellen 
sollte, daß Politik und Ethik natürlich auch in der Antike über eigenständige, 
sich nur zum Teil überlappende Gegenstandsbereiche verfügen und verfügen 
konnten (s.. etwa Gigon [1976 b] 7-9; Schütrumpf [1991 a] 71-102); die Fragen 
und Entscheidungen der Tagespolitik und die Frage nach dem richtigen Verhal- 
ten können nicht vollständig identisch sein (vollkommen undifferenziert wieder 
Steiner [1992] 150 Anm.166). Vermutlich ist die Besonderheit der Verbindung 
dieser Bereiche bei Platon und vor allem in der ‘Politeia’ verkannt, wenn sie 
zum antiken Normalfall erklärt wird (Aristoteles ist kein unabhängiger Zeuge, 
sondern reagiert auf diese Vorgabe: Schütrumpf [1991 a] 78-91). Was in Pla- 
tons Dialogen als ‚politisches Handeln‘ erscheint, dürfte auch auf Platons Zeit- 
genossen eher befremdlich als vertraut gewirkt haben (vgl. Trampedach [1994] 
166-169 und 278 f.). „Ein Philosophieren, dessen grundlegende Formel die ist, 
daß dem Menschen die Sorge um seine Seele wichtiger sein müsse als alles 
andere, kann unmöglich den politischen Aufgaben und Kämpfen irgendwelche 
größere Bedeutung beimessen. Wenn also Platon sich mit den Problemen des 
Staates beschäftigt, so tut er es gegen die tiefste Absicht seines Philosophie- 
rens. Und vielfach tut er es nur zum Schein und meint eigentlich ganz andere 
Dinge“: Gigon [1976b] 19. Der letzte Satz trifft, was die “Politeia’ angeht, 
zweifellos das Richtige; in der Tat gewinnen in diesem Dialog sowohl politi- 
sche Termini (zum Beispiel ‚Tyrann‘: oben S.148) als auch die bekannten Ver- 
fassungsnamen (Oligarchie, Demokratie etc.) eine neue und durchaus unübliche 
Bedeutung: siehe das Folgende.
	        
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