Full text: Dialogform und Argument

G. Die Konzeption der politischen Ordnung 
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binden. Allerdings wird, und dies hat offenbar Methode, an be- 
kannte und typische Züge immer wenigstens angeknüpft, was die 
Vorstellungen der Partner bindet und die sokratischen Gedanken- 
experimente in der Empirie ‚verankert‘: 547 
So wird die Timokratie, die an den Kriegerstaat Sparta erinnern 
soll, zunächst {547e3) dargestellt als politische Ordnung, in der 
streitbare Menschen regieren;°*8 kurz darauf wird sie (und damit 
endet nicht nur die Ähnlichkeit zu bestehenden Verfassungen, son- 
dern Termini wie ‚Verfassung‘ und ‚Herrschaft‘ gewinnen selbst ei- 
nen neuen Sinn) zur ‚Regierung‘ der Streitlust stilisiert (548 c 5). 
Die Oligarchie wird unter Anknüpfung an ein politisches Schlag- 
wort zunächst als Herrschaft der Reichen (550c11-d1) eingeführt, 
präsentiert und kritisiert jedoch im folgenden vor allem als ‚Herr- 
schaft‘ der Geldgier, was nicht dasselbe ist;5*? am Fehler der 
Geldgier, der sich weder am politischen Aufbau der Oligarchie 
festmachen noch allein auf dieses politische System beschränken 
1äßt,5°0 soll die Oligarchie auch zugrundegehen (555b9-10). Die 
Demokratie wird zunächst zwar eingeführt als eine ‚Herrschaft der 
Armen‘ (557a2-5), beschrieben und kritisiert jedoch als ‚Herr- 
schaft‘ maßlosen Freiheitsstrebens, das zur Anarchie und zuletzt 
konsequenterweise zum Ende der Demokratie führt (562b9-c3); 
über das Selbstverständnis der realen Demokratie, die sich nicht 
Freiheit und Rechtlosigkeit, sondern Gleichberechtigung (Isonomie) 
zum Ziel setzt, geht Sokrates dabei hinweg. Die Darstellung der 
547 7u den folgenden Beispielen vgl. jeweils den Kommentar zur betreffen- 
den Passage. Zur Verankerung in der Empirie oben Anm. 363. 
548 Daß dies nicht die Definition eines politischen Systems ist, dürfte freilich 
klar sein. Für das politische System macht es, um nur an eine Selbstverständ- 
lichkeit zu erinnern, einen beträchtlichen Unterschied, ob die streitlustigen 
Menschen etwa als absolute Alleinherrscher regieren, sich den Gesetzen unter- 
ordnen oder ob sie (als demokratische Amtsinhaber) gar der strengen Rechen- 
schaftspflicht der athenischen Demokratie unterworfen sind, Politische Systeme 
im üblichen Verständnis des Worts sind nicht beschrieben durch die Nennung 
des regierenden Charakters, sondern (u.a.) durch die Präzisierung von Art, Le- 
gitimation und Machtvollkommenheit der Herrschaft (sowie durch institutionelle 
und gesetzliche Faktoren). Diese Punkte läßt Sokrates jedoch offen, 
549 Vgl. 550d9-551a11. 554a2-4. 555a8-b2. 562a10-c3 u.a. — Dazu 
auch oben S.142f. 
550 Auch demokratische Politiker oder Tyrannen können geldgierig sein — 
wie Sokrates’ eigene Darstellungen implizieren (etwa S564e4-565b1. 
568 d 4-e6).
	        
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