B. Zur sogenannten ‚Psychologie‘ der “Politeia’ 235
(z.B. 581a9-10).°7% Für den Interpreten stellt sich die Frage, ob
hinter dieser Bedeutungsvielfalt eine einheitliche Konzeption ste-
hen kann.®71 oder ob Platons Sokrates hier eine semantische Un-
670 Es ist nicht leicht zu erklären, wie das Streben nach Ruhm mit den übri-
gen Eigenschaften des Buuyoedtg verbunden sein könnte. Reeve [1988] 152 gibt
folgende Erklärung: “Now, as we have seen, spirited desires are like emotions.
They embody a conception of the good, and a desire to keep us in line with
that conception, But the conception of the good they embody is not unaltera-
ble; it can be, and typically is, shaped by education and training. Because of
this it can coincide with a culture’s conception of what is honourable. And if
the two conceptions coincide, then what satisfies spirited desires will attract
honour, and what attracts honour will satisfy spirited desires. Hence the ple-
asure of being honoured can be the content of the good of aspiration.“ Falls
Reeves Erklärung, die im Text keine Verankerung hat, zutrifft, wäre es reiner
Zufall, wenn das vom OuvuoeStg erstrebte Gut und das, was bei den Mitmen-
schen Ehre (tıun) einbringt, identisch wären (zum selben Ergebnis gelangt
schon Irwin [1977] 231f.). Zum Problem, das selbst in vielen Arbeiten zur so-
genannten ‚platonischen Seelenlehre‘ gänzlich unbeachtet bleibt, auch Pfann-
kuche [1988] 145.
571 Die Bemühungen um den Nachweis einer einheitlichen Konzeption gehen
(seit den Andeutungen von Nettleship [1901]) in ähnliche Richtungen und
scheitern, um dieses Fazit vorwegzunehmen, aus ähnlichen Gründen. Für Tait
[1949] 209-211 ist das OuuWoeıSEc “at various levels, an affirmation of the self
in contra-distinction to, or against what is other than, or alien to the self, so
that it may properly be described as a kind of self-respect” (210). Haben aber
auch Tiere und Kleinkinder (441 a 7-b 3) ein Selbstwertgefühl? Erklärt ein Trieb
zur Selbstbehauptung Übellaunigkeit, Ehrgeiz, Streben nach Überlegenheit und
nach Ruhm? — Gosling [1973] 41-51 sucht die einheitliche Konzeption des
DukoeLöEg im ‚Streben nach dem Ideal der Männlichkeit‘, das sich als Mut,
Aggression, aber auch als das Streben äußern könne, sich einem bewunderten
Menschentypus anzugleichen; Gosling gibt jedoch offen zu, daß diese Deutung
nicht das Wirken des Ovuwoeı&eg in Tieren und Kleinkindem erklärt
(441 a 7-b 3). Fragen kann man sich ferner, ob das von Gosling umrissene Stre-
ben tatsächlich in jedem Menschen anzunehmen ist (vgl. Irwin [1977] 337
Anm.52). — Cooper [1984] analysiert Platons BuuoeLötg als a) das Bestreben
hervorzuragen, b) Stolz auf sich und die eigenen Fähigkeiten, c) Achtung vor
Leistungen und das Bestreben, selbst geachtet zu sein; traditionelle Felder für
die Erbringung von Leistungen seien Krieg, Sport und Politik gewesen. Cooper
(15f.) gibt zu, daß sich nach diesem Schema nur drei der fünf von Sokrates in
Buch IV genannten Beispiele für das Wirken des OuuoeLötg erklären lassen.
Auch liegt die Frage nahe, ob Cooper wirklich einen einheitlichen Grundtrieb
des Menschen beschreibt oder ein Bündel unterschiedlicher Triebe. — In eine
ähnliche Richtung geht die Deutung, das OuuoeıSEg habe es immer mit dem er-
strebten Bild von sich selbst zu tun, für die ich der Kürze halber Klosko
[1986 a] 68 zitiere: “The link between these different descriptions is, briefly,