A. Orientierung des Lesers
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vorgeht, um einen solchen Verlauf glaubhaft erscheinen zu lassen,
ohne den Gesprächscharakter aufzugeben — angesichts der Tatsa-
che, daß echte Gespräche selten derart zielgerichtet verlaufen.
Der Autor verwendet, wie sich zeigt, vor allem zwei Methoden:
Streckenweise wird ein Interaktionsgeschehen fingiert, aus dem
sich die beabsichtigte Systematik des Gesprächs ergibt — aus
Sicht der Gesprächsteilnehmer also rein zufällig und von der ein-
zelnen Dialogfigur nur partiell zu beeinflussen; zudem wird der
Figur Sokrates die Fähigkeit verliehen, das Gespräch, über dessen
Verlauf die Partner des Sokrates stets mitentscheiden, maßgeblich
zu steuern; dies schließt psychagogische Vorgehensweisen und
persuasive Techniken ein (B). Die Anwendung persuasiver Techni-
ken wirft freilich eine Reihe von Fragen auf, von denen nur zwei
der wichtigsten abschließend thematisiert werden: Wie steht es
um die Legitimation des Philosophen, andere zu täuschen? Und
welche Absichten verfolgt Platon mit einer solchen Gestaltung sei-
nes Dialogs gegenüber seinem Leser (C)?
Die Beobachtungen, die in diesem Kapitel zur Sprache kommen,
belegen den Einfluß der platonischen Dialogform auch auf die In-
halte der ‘Politeia’. Die verbreitete Ansicht, die ‘“Politeia’ sei eine
in Dialogform nur ‚eingekleidete‘ Lehrschrift,°°? wird damit unhalt-
bar; sie verkennt offensichtlich die darstellerischen Erfordernisse
des platonischen Dialogs.
A. Orientierung des Lesers
Moderne wissenschaftliche Monographien enthalten oft eigene
Textabschnitte, die dem Leser die Orientierung erleichtern und
ihm die Funktion einzelner Abschnitte im Rahmen der Gesamtaus-
sage verdeutlichen sollen: In einführenden Kapiteln kann das Ziel
und der Aufbau der Untersuchung genannt und die Vorgehensweise
erläutert werden; am Ende wichtiger Abschnitte können Zwischen-
ergebnisse zusammengefaßt und untereinander und mit dem über-
geordneten Beweisziel in Verbindung gebracht werden; aussage-
kräftige Kapitelüberschriften und deren Ankündigung im Inhaltsver-
zeichnis bieten dem Leser Informationen darüber, in welche Teil-
schritte die Untersuchung zerlegt wird, welche Themen dabei zur
692 Vgl. oben die Einleitung.