Full text: Dialogform und Argument

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VI. Platonische Dialoggestaltung 
Sprache kommen und welche argumentative Funktion der Autor 
den einzelnen Abschnitten zugeschrieben wissen will. 
Hilfsmittel wie Inhaltsverzeichnisse oder Kapiteleinteilungen wa- 
ren zu Platons Zeit noch unbekannt; ®° für explizite Hinweise des 
Autors aber läßt die platonische Dialogform keinen Raum.®% Pla- 
ton scheint jedoch andere Wege gesucht und gefunden zu haben, 
dem Rezipienten seines umfangreichen und komplexen Dialogs 
‘Politeia’ die Orientierung im Textganzen zu erleichtern: °° 
Das Gespräch über den Wert der Gerechtigkeit ist nicht nur klar 
in bestimmte Abschnitte gegliedert,°® sondern diese Gliederung 
wird vom Autor durch den Einsatz markanter dramaturgischer Mit- 
tel deutlich gekennzeichnet. Wichtige Einschnitte finden sich bei- 
spielsweise dort, wo die im Dialog zentrale sokratische These 
vom Glück des Gerechten eingeführt wird und ebenfalls dort, wo 
sie ihre für die folgenden Bücher gültige Explikation und Festle- 
gung erfährt; beide Neuansätze sind dramaturgisch dadurch veran- 
laßt und für den Leser daran kenntlich, daß neue Personen (Thra- 
693 Die bewußte Einteilung eines längeren Werks in ‚Bücher‘ durch den Ver- 
fasser läßt sich erst in der Generation der Platon- und Isokratesschüler nach- 
weisen: C. Wendel, Die griechisch-römische Buchbeschreibung verglichen mit 
der des vorderen Orients, Halle 1949; H. Hunger, Die Textüberlieferung der 
antiken Literatur und der Bibel, “München 1988, 44; vgl. L. Koep, RAC II 
673f., Artikel ‚Buch I‘. 
5% Anders als etwa in den von Aristoteles oder Cicero verfaßten Dialogen 
äußert sich der Autor des platonischen Dialogs nirgendwo im eigenen Namen. 
595 Das wichtigste Dokument zur zeitgenössischen Reflexion über die Gestal- 
tung von Rezeptionsbedingungen ist Platons ‘Phaidros’; zu Hinweisen bei Iso- 
krates vgl. Usener [1993]; praktische Anwendungen finden sich nicht nur in 
der Rhetorik, sondern etwa auch in der Komödie. — Der Aristotelesschüler 
Aristoxenos empfiehlt in seinen ‘Harmonica’ (39, 4-8, ed. da Rios), den Hörer 
oder Leser vorweg über die Vorgehensweise des Autors zu orientieren: ßBEATLOV 
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no&dyua). In polemischer Absicht fährt Aristoxenos fort, Platon habe bei sei- 
nem berühmten Vortrag Über das Gute’ diese Orientierung der Hörer versäumt 
und so dessen Mißerfolg selbst verschuldet. 
6% Über den Aufbau der ‘Politeia’ orientiert jede Einführung (eine knappe 
Übersicht z.B. bei Voegelin [1957] 46f., eine ausführliche bei Vretska [1958 a] 
469-484). Im Gegensatz zur Detaileinteilung ist die (offen zutageliegende) 
Grobeinteilung nicht strittig (einen Überblick über Gemeinsamkeiten und Unter- 
schiede mehrerer Einteilungen bietet Andersson [1971] 28-32). Vgl. Anm. 691.
	        
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