Full text: Dialogform und Argument

B. Gesprächslenkung 
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zielgerichtet. Denn der Gesprächsverlauf richtet sich in der Regel 
nach den unterschiedlichen Interessen, Kenntnissen und Einfällen 
mehrerer am Gespräch beteiligter Personen. Auch ergeben sich 
aus vorangegangenen Gesprächsbeiträgen oftmals neue und zuvor 
nicht absehbare Schwerpunkte, Themen und Fragestellungen. Und 
jederzeit kann ein ursprünglich nicht bedachter Gesichtspunkt das 
Gespräch in ganz neue Bahnen lenken; eine Nachfrage oder ein 
unerwarteter Einwand kann jede längerfristige Planung und damit 
jeden Versuch einer planvollen Strukturierung des Gesprächs 
durchkreuzen. 
Wer ein planvoll verlaufendes Gespräch des Umfangs und Kom- 
Dlexitätsgrads, wie es in der ‘Politeia’ dargestellt ist, fingieren 
möchte, braucht nicht nur präzise Vorstellungen und dispositori- 
sches Geschick; Planung im Gesprächsverlauf muß, soll der Leser 
nicht Anstoß nehmen, so hergestellt werden, daß dabei der Ge- 
sprächscharakter gewahrt bleibt. 
Platon bedient sich in der ‘Politeia’ offenbar vor allem zweier 
Methoden: 1) Der erwünschte Gesprächsverlauf ergibt sich ohne 
bewußtes Zutun der Figuren durch auktoriale Lenkung; 2) der Au- 
tor verleiht einer seiner Figuren die Fähigkeit, den Gesprächsver- 
lauf so suggestiv zu steuern, daß diese Steuerung auf Anhieb 
kaum zu bemerken und ihre Wirksamkeit jedenfalls auch in den 
Augen des Lesers glaubhaft ist. 
Ad 1: Der Verfasser eines Dialogs, der die Handlungen und Re- 
aktionen all seiner Figuren in der Hand hat, kann ein Interaktions- 
geschehen fingieren, das aus Sicht der Figuren von Zufällen be- 
stimmt ist und zu nicht absehbaren Ergebnissen führt, aus Sicht 
des Autors jedoch zielgerichtet auf ein von vornherein geplantes 
Resultat zusteuert. Platon bedient sich dieser darstellerischen 
Technik in der ‘Politeia’ an mehreren Stellen: 
Im ersten und zweiten Buch führt eine unverfänglich wirkende 
Konversation zunächst zur zentralen Thematik der Politeia’, spä- 
ter zur präzisen Fassung der Themafrage des Dialogs: Aufgrund 
einer zufälligen Begegnung gelangt Sokrates ins Haus des Kepha- 
los, wo sich zufällig auch die Personen aufhalten, die das Ge- 
spräch später entscheidend bestimmen werden (327a1-328 c4). 
Aus der Konversation zwischen Sokrates und dem greisen Gastge- 
ber über die Beschwerden des Alters und ihre mögliche Linderung 
durch den Reichtum ergibt sich die Frage nach dem Nutzen des 
Reichtums (328 c5-330d3). Kephalos antwortet, Reichtum ermög-
	        
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