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I. Das sokratische Argument
man mit guten Gründen davon überzeugt sein kann, daß auch die
Gegenseite über letzte Begründungen nicht verfügt. Genau eine
solche Situation hat der Autor der Politeia’ geschaffen.
Den Anlaß, eine über 250 Stephanusseiten umfassende Konzep-
tion vorzutragen, in der politische, pädagogische, psychologische
und erkenntnistheoretische Aussagen sich zu einem großangelegten
Argument zugunsten der Gerechtigkeit vereinen, liefert Platons
Regie zufolge nicht einfach ein sokratisches Mitteilungsbedürfnis.
Sokrates tritt nicht in das Gespräch ein mit dem Ziel, anderen
seine Ansichten über die Gerechtigkeit vorzutragen, sondern er
reagiert auf eine dringliche Bitte, die ihn als Erzieher und als
Verteidiger der Gerechtigkeit fordert.
Schon während seines Gesprächs mit Thrasymachos hat Sokrates
sich aufmerksam danach erkundigt, wie die These seines Kontra-
henten, der die Ungerechtigkeit empfiehlt, auf Glaukon wirkt
(347 e 4-348 a6). Denn es liegt auf der Hand, welche Verführungs-
kraft diese These gerade für junge Menschen besitzen muß, die
gefestigte Positionen im eigenen Leben noch nicht gefunden ha-
ben. Bestätigt wird diese Verführungskraft kurz darauf von Adei-
mantos selbst (365a4-367a3). Verbal treten Glaukon und Adei-
mantos klar auf Sokrates’ Seite, sie bekennen sich eindeutig zum
Glauben an die Zweckmäßigkeit der Gerechtigkeit (347 e 4-348 a6.
358 c6. 367b1). Aber wenn sie als advocati diaboli die These des
Thrasymachos verteidigen, klingt mehr als deutlich an, wie sehr
dieser Glaube gefährdet ist. Glaukon sagt, ihm gellten die Ohren
von den Reden Unzähliger, die wie Thrasymachos die Ungerech-
tigkeit priesen; eine wirklich überzeugende Preisrede auf die Ge-
rechtigkeit aber habe er noch von niemandem gehört.® Noch
AüTOLV TAANGEG NOTEQWG ExXEL (368 c 4-7). — Genau im selben Sinn äußert sich
Sokrates im ‘Menon’ hinsichtlich seiner eigenen Ausführungen über die Ana-
mnesis und die Unsterblichkeit der Seele (86b5-c3): [Menon] € uoı S0%xelc
AEyeıv, @ ZOxpatec, 00x 018’ önwc. — [Sokrates] xai yo &yO Euol, ©
Mevowv. xal ta WEV yE ÄAMMa 00% dv ndvu ÖntQ TOU AGyOoU SuLLOXvELOCLUNV ÖtTL
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Stemmer [1992 a] 232-236.
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