Full text: Dialogform und Argument

I. Das sokratische Argument 
Dialogfiguren in der “Politeia” Überzeugungen und Überlegungen 
des Autors zugrunde, aber sie sind mit ihnen nicht einfach gleich- 
zusetzen. Platons Ansichten lassen sich folglich auch nicht durch 
Textzitate ‚belegen‘ — ein allerdings bis heute übliches Verfah- 
ren —, sondern müssen anhand der Leitfrage erst rekonstruiert 
werden, welche Überlegungen und Überzeugungen beim Autor an- 
zunehmen oder sicher zu erschließen sind, um die konkrete Ge- 
staltung des sokratischen Gesprächs zu erklären. ?® 
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Somit stellt sich schließlich die Frage, aus welchen Gründen Pla- 
ton den Dialog in dieser komplizierten Weise gestaltet hat. Die 
Frage hat mehrere Aspekte und bedürfte einer umfassenden Be- 
handlung, die hier nicht erfolgen kann. Ich beschränke mich auf 
einige wenige Hinweise: 
Die Frage nach Platons Intention in der ‘Politeia’ hängt zusam- 
men mit der Frage nach der Intention der platonischen Dialoge 
überhaupt. Diese Frage kann hier nicht erörtert werden; die bei- 
den wichtigsten Schlüssel zu ihrer Beantwortung vermute ich ei- 
nerseits in den faszinierenden literarischen Möglichkeiten, die der 
Dialog eröffnet,?’ andererseits in der philosophischen Relevanz der 
Dialogform, die es dem Leser im günstigen Fall erlaubt, in kriti- 
scher Auseinandersetzung mit dem Text zu lernen, ohne daß der 
Autor explizit lehrt. 8 
geben hat, die seine Leser Sicherheit über seine Intentionen nicht leicht ge- 
winnen läßt.“ 
% Diese Rekonstruktionen wären, wie alte philologischen Beweisführungen, 
auf Wahrscheinlichkeitserwägungen gestützt (Beispiele in dieser Arbeit etwa in 
Kap.1I, Kap.lII oder in Kap. IV, E). Vgl. zu den angesprochenen Punkten auch 
oben die Einleitung. 
97 Platons Dialoge sind auch anspruchsvolle literarische ‚Spiele‘: vgl. 
Phdr.276e 1-3, wo sich Phaidros auf die “Politeia’ bezieht (zitiert in 
Anm.810); ferner etwa Heitsch [1993 al 248-257 und unten Kap.VI (v.a. B) 
% Bestimmte Indizien legen die Vermutung nahe, daß Platon die Aufgabe 
seiner philosophischen Schriften weniger in der Vermittlung vom Autor gewon- 
nener philosophischer Einsichten als vielmehr in der Anregung philosophischen 
Denkens beim Leser gesehen hat: siehe dazu (allgemein). die oben in Anm. 10 
genannten Arbeiten von Frede und Heitsch sowie (konkret zur ‘Politeia’) unten 
S.284-288.
	        
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