A. Mehrzahl und Vierzahl (445c1-449b 1)
A. Mehrzahl und Vierzahl (445c1-449b1)
Geht man von Themafrage und Beweisziel der ‘Politeia’ aus, wie
sie oben nochmals kurz skizziert sind (vgl. Kap.I), so ist nicht
unmittelbar ersichtlich, weshalb es für Sokrates’ Zwecke nicht ge-
nügte, der Besprechung der vollendet guten und gerechten Ord-
nung die Besprechung der vollendet schlechten und ungerechten
Ordnung an die Seite zu stellen, um daran den verabredeten
Glücksvergleich anzuschließen. Von einer Behandlung mehrerer
schlechter Ordnungen war denn auch ursprünglich keine Rede;
vielmehr wird selbst noch am Beginn von Buch IV so formuliert,
als solle der einen guten Polis genau eine schlechte gegenüberge-
stellt werden. !!4 Erst gegen Ende von Buch (445 c1-449 b1) bringt
Sokrates plötzlich eine Mehrzahl schlechter und eine Vierzahl be-
sprechenswerter schlechter Ordnungen ins Spiel; namentlich ge-
nannt und tatsächlich behandelt werden diese vier Ordnungen dann
erst in Buch VIH (die früheste Aufzählung erfolgt in 544 c 1-7).
Der Leser erfährt die Neuerung, daß neben der Tyrannis auch
noch andere Ordnungen besprochen werden sollen, in 445c1-d2:
„Komm jetzt hierher“, sagt Sokrates, „damit du auch siehst, wie-
viele Arten meines Erachtens die Schlechtigkeit hat, soweit sie
jedenfalls einer Betrachtung auch wert sind.“ — „Ich folge“, ant-
wortet Glaukon. „Sprich nur!“ Und Sokrates fährt fort: „Ja wirk-
lich, wie von einer Warte aus — haben wir doch jetzt im Ge-
spräch diese Höhe erreicht — scheint es mir, als gebe es eine
Art des Gutseins, aber unbestimmt viele Arten des Schlechtseins,
und unter ihnen vier, die auch erwähnenswert sind.“ — „Wie
bitte?“ — „Ebensoviele Arten wie bei den politischen Ordnungen,
die einen Typus repräsentieren, scheint es auch bei der Seele zu
geben.“ — „Wieviele denn?“ — „Fünf bei den politischen Ordnun-
gen“, antwortet Sokrates, „und fünf bei der Seele.“ — „Sag, wel-
che!“ will Glaukon wissen. aber Sokrates erhält keine Gelegenheit
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