II. Die schlechten Ordnungen in Polis und Seele
nungen. Daß dieser Nachsatz als Begründung gekennzeichnet wird
(y&p), macht die vorausgehende Frage. zur rhetorischen Frage.
Zusammengenommen geben die beiden Sätze etwa folgenden Sinn:
‚Einen ’anderen klar ausgeprägten Verfassungstypus gibt .es nicht;
denn diejenigen, an die du jetzt vielleicht denkst,‘ sind nur Zwi-
schenformen‘; Damit wird eine Ergänzung der sokratischen Aus-
wahl also.nicht nahegelegt, sondern unterbunden.
Eine solche Ergänzung wäre jedoch alles andere als .abwegig.
Denn in Sokrates’ Schema fehlt, wie leicht zu sehen, eine Verfas-
sung, die schon seit Herodot ihren festen Platz in der griechischen
Verfassungsdebatte hat und kaum als unklare Zwischenform hätte
ausgeschlossen werden können: Es handelt sich um die Monarchie
im ‚Sinne des traditionellen Königtums, die etwa in Platons ‘Poli-
tikos’ sowohl als Gegenstück zum wahren; auf Wissen basierenden
Königtum als auch im Kontrast zur Tyrannis erscheint und in den
‘Nomoi’, neben der Demokratie, als Stammutter fast aller übrigen
Verfassungen bezeichnet wird.!?7 Das Fehlen dieses wichtigen
Verfassungstyps in der ‘Politeia’ fällt nur deswegen weniger auf,
weil dort einerseits der .Terminus ßaoıXela (‚Königtum‘) erscheint
— freilich bezeichnet. er nicht das Königtum im üblichen Sinn,
sondern das durch ganz eigenständige Züge ausgezeichnete Philo-
sophenkönigtum, das ebensogut als ‚Aristokratie‘ bezeichnet wer-
den‘ kann (445d 3-7) —;- andererseits der Begriff ‚Tyrannis‘ in an-
deren Kontexten (z.B. in der Tragödie und bei Isokrates) als Syn-
onym für die Monarchie eintreten. kann;!%8 dabei liegt freilich ein
vollkommen anderer Begriff von ‚Tyrannis‘ zugrunde als in der
197 Herodot ‚III 80-82. Im ‘Politikos’ wird differenziert zwischen a) dem
wahren königlichen Staatsmann (ßaoıleüc), der über den. Gesetzen steht, b)
dem König, der den Wissenden nachahmt und sich an die Gesetze hält (eben-
falls Baoıle0s) sowie c) dem ungesetzlich regierenden Tyrannen (301 a 10-c 5).
In Lg.693d2-7 läßt Platon den Athener behaupten, alle übrigen politischen
Ordnungen stammten von Monarchie und Demokratie ab; als die vollendete
Ausprägung der Monarchie gilt dabei die persische (vgl. die idealisierende
Zeichnung‘ des persischen Königtums in Xenophons ‘Kyrupädie’).. Mit Selbstver-
ständlichkeit nennt Aristoteles in seiner ‘Rhetorik’ folgende vier Verfassungen:
Demokratie, Oligarchie, Aristokratie und Monarchie (1365a 27-30). Vgl. auch
Bordes [1982] 261-278. ;
198 Zur Tragödie: Bengl [1929] 23f.; zu Isokrates: Eucken [1983] 219 f.