20
FRAUEN IN DER EMIGRATION
Von Maria Weiterer
Zu den Menschen, die Gegner des Hitler-Regimes waren und die ihre
Gegnerschaft auch durch aktiven Kampf zum Ausdruck brachten, gehörten
sehr viele Frauen. Ein Teil von ihnen war im Laufe der langen Jahre der
faschistischen Herrschaft in Deutschland gezwungen, die Heimat zu ver
lassen und Asyl zu suchen in einem benachbarten Land.
Diese politischen Emigrantinnen übernahmen meistens vom ersten Augen
blick an, wo sie in der Emigration auftauchten, neue Verpflichtungen, neue
Arbeit. Die politischen Emigrantengruppen in allen Ländern um Deutsch
land herum betrachteten es als ihre Hauptaufgabe, mit an der Vernichtung
des Hitler-Faschismus zu arbeiten; sie entfalteten eine rege Tätigkeit, um
die Bevölkerung ihrer Gastländer aufzuklären über die Gestapomethoden,
die Rechtsunsicherheit in Deutschland, das ganze Terrorregime. Diese
Frauen führten viele Kampagnen gegen cJie Ermordung von Antifaschisten
in Deutschland durch. So protestierte man z. B. mit allen Mitteln gegen
das Todesurteil der Lieselotte Herrmann.
Eine große Arbeit leisteten insbesondere die Emigrantinnen in der materiellen,
sozialen und politischen Betreuung ihrer Gruppen. Sie organisierten die
Hilfe der mit ihnen sympathisierenden einheimischen Bevölkerung der
Länder, sie arbeiteten aktiv mit in den Emigrationskomitees und in der
Schulung der Emigranten. Da viele von ihnen nicht in der Lage waren,
die Landespresse zu lesen, war es notwendig, sie über das politische Ge
schehen in der Heimat wie in der ganzen Welt zu informieren.
Viele deutsche Emigrantinnen aus allen Emigrationsländern meldeten sich
1936 freiwillig, um dem spanischen Volk in seinem Kampf gegen den
Faschismus zu helfen. Sie arbeiteten dort als Ärztinnen, als Kranken
schwestern, als Verwaltungsbeamtinnen, ja einige von ihnen standen mit
der Waffe in der Hand in den ersten Linien der Frontkämpfer.
Als Hitler fast ganz Europa mit Krieg überzog, wurden viele Emigranten
interniert. In den Internierungslagern der Frauen waren es wiederum die
politischen Emigrantinnen, die für Sauberkeit und Ordnung sorgten, die
ein Kameradschaftsleben entwickelten und die Solidarität des Auslands
und der jeweiligen einheimischen Bevölkerung für die Internierten weckten
und organisierten.
Nach der Besetzung der verschiedenen europäischen Länder durch die Hitler-
Armeen haben viele deutsche Emigrantinnen in den Reihen der nationalen
Widerstandsbewegungen eine außerordentlich wertvolle Arbeit für den
Widerstandskampf geleistet. Sie haben vor allen Dingen unter den
deutschen Soldaten gearbeitet, um sie aufzuklären, für welche verwerfliche
und verlorene Sache sie die Waffen trugen.
Diese unentwegten Kämpferinnen gegen den Faschismus, die zumeist vor
ihrer Emigration Bekanntschaft mit den Gestapomethoden und Konzentra
tionslagern gemacht hatten, stehen heute fast alle in verantwortlichen
Stellungen, um die Heimat, die sie lieben und nie vergessen haben, von
den Spuren der Hitler-Zeit zu befreien und aktiv am Neuaufbau des
materiellen und geistigen Lebens des deutschen Volkes mitzuhelfen.