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alles gut versteckt, und heimlich haben wir nach dem Weihnachtsfest diese
Sachen auf den Blocks verteilt.
Nun war es so weit. Sonntag vor Weihnachten: Auf Block 32, der gerade
renoviert wurde und daher leerstand, durfte das Kasperletheater vorgeführt
werden. Um 12 Uhr wußten wir noch nicht, wann die Männerhäftlinge, die
dort arbeiteten, Schluß machen würden. Endlich um 1 Uhr, — die SS hatte
wohl auch keine Lust, an Weihnachtsfeiertagen bis nachmittags um 5 Uhr
Wache zu schieben —, konnten wir mit unseren Vorbereitungen beginnen;
doch um 4 Uhr mußte alles beendet sein, da begann der Zählappell. Wir
arbeiteten fieberhaft, und bald war alles festlich hergerichtet. Auf der
einen Blockseite stellten wir Tische auf, mit weißem Papier bedeckt,
geschmückt mit Tannenzweigen und darauf unsere gesammelten Eßwaren,
die ein Kinderherz, das immer hungerte, entzücken mußte. Dazu ein großer
Weihnachtsbaum, bunt und lustig angeputzt, mit richtigen Lichtern. Im
anderen Tagesraum wartete das Kasperletheater auf seine kleinen Zuschauer.
Frierend und zitternd, mit erwartungsvollen Gesichtern, so kamen die Kinder
truppweise von allen Blocks gezogen. 500 Kinder vom Vierzehnjährigen bis
zum kleinsten Zweijährigen, den die Mutter auf dem Arm trug. Eine Freude
schon: bei uns war es warm, und die Zigeunerkinder hockten sofort in der
Ofennähe. Es war nicht leicht, in dieser Enge, die Kleinen nach vorn und
die Großen nach hinten zu dirigieren, denn es gab keine Stühle.
Und das Spiel begann. Die bunten Lampen an der kleinen Bühne
bereiteten einen märchenhaften Schein über die- zarten rosigen Puppen
gesichter, und Erikas Stimme, die das Märchen erzählte, klang warm und
innig durch den Raum. Unsere Augen aber schweiften über die Kinder hin,
die glücklich und aufmerksam ihr trauriges Leben einmal vollkommen ver
gaßen. Und als das erste kräftige Lachen von diesen armseligen 500 Kindern
erscholl, als die Begeisterung immer größer wurde, als sie immer mehr nach
vorn drängten in ihrem Eifer, da wuchs auch in uns immer mehr die Freude.
Es löste sich die Starrheit in uns, es wuchs der Wille, durchzuhalten, um
dieses Unrecht, das hier im Lager an diesen Menschenkindern geschah, einst
mals wieder gutzumachen.
Liebe Kinder! Was ist aus Euch geworden? Ihr mußtet noch einen Trans
port aushalten, nach Bergen-Belsen, nach Mauthausen! Ihr, die ihr lebend
herausgekommen seid aus dieser Hölle, ist Euch dieses Weihnachtsspiel in
Ravensbrück noch in Erinnerung? Wir wollten Euch eine schöne Stunde
verschaffen zum Weihnachtsfest, und Eure glücklichen aufgeschlossenen
Gesichter damals haben uns gezeigt, daß es uns gelungen war.
DEN TOTEN KAMERADINNEN DER SAEFKOW-GRUPPE
Von Anne Saefkow
Im Juli 1944 gelang es der Gestapo, große Teile der Widerstandsgruppe
Saefkow zu verhaften und die Organisation zu zerschlagen. Die Zahl
der dabei festgenommenen und verfolgten Frauen ging in die Hunderte.
Trotz Isolierung der „Tatgenossen'' lernten sich die meisten von ihnen erst
in der Haft kennen.