Full text: Träumereien an französischen Kaminen: Märchen

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Da machte der Handwerksburschc, der ein arger Schalk und durch den 
schönen Traum übermütig fröhlich gestimmt war, ein schlaues Gesicht, zwinkerte 
mit den Augen und sagte: „Einen herrlichen Traum habe ich gehabt, das muß 
wahr sein; aber ich getraue mich nicht zu sagen, wie er war." Aber sic drang 
immer weiter in ihn und gualtc, er möchte cs doch sagen. Da rückte er ganz 
nahe an sic heran und sagte ernsthaft: „Denkt nur, mir hat geträumt, ich würde 
»och einmal des Kronenwirts Töcbtcrlcin heiraten und spater selbst Kroncnwirt 
werden!" 
Da wurde das Mädchen erst kreideweiß und dann purpurrot und ging ins 
Haus. Nach einer Weile kam sie wieder und fragte, ob er das wirklich geträumt 
habe cind es sein Ernst sei. 
„Gewiß, gewiß," sagte er, „gerade wie ihr sah die auö, die mir im Traum 
erschienen ist!" Da ging das Mädchen abermals inö HauS und kam nicht wieder. 
Sie ging in ihre Kammer, und die Gedanken liefen ihr übers Herz wie Wasser 
übers Wehr: immer neue und immer andre und immer wieder dieselben, so, daß 
es gar kein Ende hatte. „Er weiß nichts von dem Baume," sagte sie. „Er hat's 
geträumt. Ich mag wollen oder nicht, cs wird schon so konuncn. Es ist nichts 
daran zu andern." Darauf legte sie sich zu Bett, und die ganze Nacht träumte 
sic von dem Handwerksburschen. Als sie am andern Morgen aufwachte, kannte 
sic sein Gesicht ganz auswendig, so oft hatte sie cs über Nacht im Traum 
gesehen — und ein schmucker Bursche war'S, das ist wahr. 
Der Handwerksburschc aber hatte auf seiner Streu wundervoll geschlafen; 
Traumbuchc, Traum, und was er am Abend zu der Wirtökochter gesagt, langst 
vergessen. Er stand in der Wirtsstube an der Tür und wollte eben dem Kronen 
wirt die Hand reichen zum Abschied. Da trat sie herein, und wie sie ihn reise 
fertig dastehen sah, überfiel sie eine sonderbare Angst, als dürfe sie ihn nicht 
fortlassen. „Vater," sagte sie, „der Wein ist immer noch nicht gezapft und der 
junge Bursch hat nichts zu tun; könnte er einen Tag Hierbleiben, so möchte er 
sich seine Zeche verdienen und ein Stückchen Reisegeld obendrein." Und ver
	        
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