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Der kleine Vogel.
/2tm Man» und eine Frau wohnten in einem hübschen kleinen Hause, und eS
V fehlte ihnen nichts zu ihrer vollen Glückseligkeit. Hinter dem Hause war
ein Garten mit schönen alten Baumen, in dem die Frau die seltensten Pflanzen
und Blumen zog. Eines Tages ging der Mann im Garten spazieren, freute
sich über die herrlichen Gerüche, welche die Blumen ausströmten, und dachte bei
sich selbst: „Was du doch für ein glücklicher Mensch bist und für eine gute,
hübsche, geschickte Frau hast!" Wie er daS so bei sich dachte, da bewegte sich
etwas zu seinen Füßen.
Der Mann, der sehr kurzsichtig war, bückte sich und entdeckte einen kleinen
Vogel, der wahrscheinlich aus dem Neste gefallen war und noch nicht fliegen konnte.
Er hob ihn auf, besah ihn sich und trug ihn zu seiner Frau.
„Herzensfrau," rief er ihr zu, „ich habe einen kleinen Vogel gefangen; ich
glaube, es wird eine Nachtigall!"
„Lieber gar!" antwortete die Frau, ohne den Vogel auch mir anzusehen; „wie
soll eine junge Nachtigall in unsern Garten kommen? ES nisten ja keine alten drin."
„Du kannst dich darauf verlassen, es ist eine Nachtigall! Uebrigens habe
ich schon einmal eine in unserm Garten schlagen hören. Das wird herrlich,
wenn sie groß wird und zu singen beginnt! Ich höre die Nachtigallen so gern!"
„Es ist doch keine!" wiederholte die Frau, indem sie immer noch nicht
aufsah; denn sie war gerade mit ihrem Striekstrumpfe beschäftigt und es war
ihr eine Masche heruntergefallen.
„Doch, doch!" sagte der Mann, „ich sehe es jetzt ganz genau!" und hielt
sich den Vogel dicht an die Nase.
Da trat die Frau heran, lachte laut und rief: „Männchen, es ist ja bloß ein Spatz!"
„Frau," entgegnete hierauf der Man», und wurde schon etwas heftig, „wie