Full text: Träumereien an französischen Kaminen: Märchen

2 
fragte. Dort lebte er still und einsam zehn Jahre lang; da überfiel ihn eine 
namenlose Angst nach der Heimat und nach der verlassenen Braut. Er mußte 
immer wieder daran denken, wie sie so fromm und schon gewesen sei, und wie 
er sie so böslich verlassen. Nachdem er vergeblich alles getan, um seine Sehn 
sucht niederzukämpfen, entschloß er sich zurückzukehren und sie um Verzeihung zu 
bitten. Er wanderte Tag und Nacht, daß ihm die Fußsohlen wund wurde», 
und je mehr er sich der Heimat näherte, desto starker wurde seine Sehnsucht, 
und desto größer seine Angst, ob sie wohl wieder so gut und freundlich zu ihm 
sein werde, wie in der Zeit, wo sie noch seine Braut war. Endlich sah er 
die Türme seiner Vaterstadt von fern in der Sonne blitzen. Da fing er an zu 
laufen waö er laufen konnte, so daß die Leute hinter ihm her den Kopf schüttelten 
und sagten: „Entweder ist's ein Narr oder er hat gestohlen." Wie er aber in 
das Tor der Stadt eintrat, begegnete ihm ein langer Leichenzug. Hinter dem 
Sarge her gingen eine Menge Leute, welche weinten. „Wen begrabt ihr hier, 
ihr guten Leute, daß ihr so weint?" „Es ist die schöne Frau deö Orgelbau- 
meisters, die ihr böser Mann verlassen hat. Sie hat uns allen so viel Gutes und 
Liebes getan, daß wir sie in der Kirche beisetzen wollen." Als er dies hörte, 
entgegnete er kein Wort, sondern ging still gebeugten Hauptes neben dem Sarge 
her lind half ihn tragen. Niemand erkannte ihn; weil sie ihn aber fortwährend 
schluchzen und weinen hörten, störte ihn keiner, denn sie dachten: daS wird
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.