haft noch weit zu Hause, und über Nacht kann ich dich nicht hier behalten,
den» ich habe keine Betten, weil nämlich die Träume nicht schlafen, sondern
nachts immer zu den Menschen auf die Erde hinaufgehen müssen, und du,
Prinzcßchen, du mußt dich fertig machen. Zieh dich heute einmal ganz rosa an
und nachher komm zu mir, damit ich dir sage, wem du heute erscheinen, und
was du ihm sagen sollst."
Als dicS Traumjörge gehört, ward es ihin auf einmal so mutig ums Herz,
wie noch nie in seinem Leben. Er stand auf und sagte mit fester Stimme:
„Herr König, von meiner Prinzessin laß ich nun und nimmermehr. Entweder
ihr müßt mich hier unten behalten, oder ihr müßt mir sie init auf die Erde
geben. Ich kann ohne sie nicht leben, dazu habe ich sie viel zu lieb!" Dabei
trat ihm in jedes Auge eine Trane, so groß wie eine Haselnuß.
„Aber Jörge, Jörge," erwiderte der König, „eö ist ja der allerhübscheste
Traum, den ich habe! Doch du hast mit* das Leben gerettet, so sei eS denn.
Nimm deine Prinzessin und steige mit ihr hinauf zur Erde. Sobald du oben
angelangt bist, so nimm ihr den silbernen Schleier vom Kopf und wirf ihn
mir durch die Falltüre wieder herab. Dann wird deine Prinzessin von Fleisch
und Blut wie ein andres Menschenkind sein; denn jetzt ist es ja nur ei» Traum!"
Da bedankte sich Traumjörge auf das herzlichste und sagte: „Lieber König,
weil du nun einmal so überaus gut bist, so möchte ich wohl noch eine Bitte
wagen. Sieh, eine Prinzessin habe ich nun, doch cs fehlt mir immer noch ein
Königreich; und es ist doch ganz unmöglich, daß eine Prinzessin ohne ein König
reich sein kann. Kannst du mir denn keins verschaffen, wenn es auch nur ein
ganz kleines ist?"
Darauf antwortete der König: „Sichtbare Königreiche, Traumjdrge, habe ich
zwar nicht zu vergeben, aber unsichtbare; und davon sollst du eins bekommen,
und zwar eins der größten und herrlichsten, waS ich noch habe."
Da fragte Traumjörge, wie cs mit den unsichtbaren Königreichen beschaffen
wäre; indes der König bedeutete ihn, er würde dies schon alles erfahren und
2 Vollmaiin-Leander. Träumereien.
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