Full text: Träumereien an französischen Kaminen: Märchen

20 
kleines Häuschen besahen, war eS zu einem wundervollen Schlosse geworden, 
mit gläsernen Treppen, Wänden von Marmclstcin, Tapeten von Samt und 
spitzen Türmen mit blauen Schieferdächern. Da faßten sic sich an und gingen in 
das Schloß hinein, und als sie eintraten, waren schon die Untertanen versammelt 
und verneigten sich tief. Pauken und Trompeten erschallten, und Edelknaben .gingen 
vor ihnen her und streuten Blumen. Da waren sie König und Königin. 
Am andern Morgen aber lief eS wie ein Feuer durch das Dorf, daß der 
Traumjörge wiedergekommen sei und sich eine Frau mitgebracht habe. „Das wird 
auch waö recht Gescheites sein," sagte» die Leute. „Ich habe sie heute früh schon 
gesehen," fiel einer von den Bauern ins Wort, „als ich in den Wald ging. Sie 
stand mit ihm vor der Türe. Es ist nichts Besonderes, eine ganz gewöhnliche Person, 
klein und schmächtig. Ziemlich ärmlich war sie auch angezogen. Wo soll'ö denn 
am Ende auch herkommen! Er hat nichts, da wird sie wohl auch nichts haben!" 
So schwatzten sie, die dummen Leute; denn sie konnten cs nicht sehen, daß 
eö eine Prinzessin war. Und daß das Häuschen sich in ein großes, wundervolles 
Schloß verwandelt hatte, bemerkten sie in ihrer Einfalt auch nicht, denn eS war 
eben ein unsichtbares Königreich, was dein Traumjörge vom Himmel herab 
gefallen war. Aus diesem Grunde bekümmerte er sich auch um die dummen 
Leute gar nicht, sondern lebte in seinem Königreiche und mit seiner lieben Prin 
zessin herrlich und vergnügt. Und er bekam sechs Kinder, eins immer schöner 
wie das andre, und das waren lauter Prinzen und Prinzessinnen. Niemand 
aber wußte cs im Dorf, denn das waren ganz gewöhnliche Leute und viel zu 
einfältig, um es einzusehen. —
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.