Full text: Träumereien an französischen Kaminen: Märchen

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Aber die Prinzessin sagte: „Laßt mich nur! Manchmal halt dach was einen 
Sprung bekommen hach nachher gerade noch recht lange!" — 
Indessen war die jüngste Königstochter auch groß geworden, und so schön, 
gut und verständig, daß von allen Seiten Königösöhnc herbeiströmten und um 
sic freiten. Doch, der alte König war durch Schaden klug geworden und sagte: 
„Ich habe nur noch eine ganze Tochter, und auch die hat ein gläsernes.Herz. 
Soll ich sie jemandem geben, so muß cs ein König sein, der zugleich Glaser ist 
und mit so zerbrechlicher Ware umzugehen versteht." Allein es war unter den 
vielen Freiern nicht einer, der sich gleichzeitig auf die Glaserei gelegt hattch und 
so mußten sie alle wieder abziehen. — 
Da war nun unter den Edelknaben im Schloß des Königs einer, der war 
beinahe fertig. Wenn er noch dreimal der jüngsten Königstochter die Schleppe 
getragen hatte, so war er Edelmann. Dann gratulierte ihm der König und 
sagte ihm: „Du bist nun fertig und Edelmann. Ich danke dir. Du kannst gehen." 
Als er nun das erste Mal der Prinzessin die Schleppe trug, sah er, daß 
sie einen ganz königlichen Gang hatte. Als er sie ihr das zweite Mal trug, 
sagte die Prinzessin: „Laß einmal einen Augenblick die Schleppe loch gib mir 
deine Hand und führe mich die Treppe hinauf, aber fein zierlich, wie eö sich für 
einen Edelknaben, der eine Königstochter führt, schickt." Als er dies tat, sah er, 
daß sie auch eine ganz königliche Hand hatte. Sie aber merkte auch, etwas; 
was es aber war, will ich erst nachher sagen. Endlich, als er ihr daS dritte 
Mal die Schleppe trug, drehte sich die Königstochter um und sagte zu ihm: 
„Wie reizend du mir meine Schleppe trägst! So reizend hat sie mir noch keiner 
getragen." Da merkte der Edelknabe, daß sie auch eine ganz königliche Sprache 
führte. Damit war er nun aber fertig und Edelmann. Der König dankte und 
gratulierte ihm und sagte, er könne nun gehen. 
Als er ging, stand die Königstochter an der Gartentüre und sprach zu ihm: 
„Da hast mir so reizend die Schleppe getragen, wie kein andrer. Wenn du 
doch Glaser und König warst!"
	        
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