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Eine Kindergeschichte.
Kirchhof, auf dem die zwei kleinen Kinder spielten, von denen ich euch
i\>J heute erzählen will, lag hoch oben auf dein grünen Bergeshange. Das
Dörfchen, zu dein er gehörte, lag schon hoch genug über dem waldigen Tal, so
daß die Wolken eS oft verdeckten, wenn man unten auf dem blauen Flusse
vorübcrfuhr. Doch der Kirchhof lag noch höher über dem Dorfe, so daß seine vielen
schwarzen Kreuze recht in den blauen Himmel hineinragten. Es war ziemlich
mühsam für die Leute, ihre Verstorbenen aus dem Dorfe nach dem Kirchhof zu
tragen, denn der Weg war steil imb steinig, bis man zu der grünen Matte kam,
auf der der Kirchhof lag; doch sie taten es gern. Denn die Bergbewohner können
es nicht im Tal aushalten; da wird eö ihnen so dumpf und ängstlich zu Mut,
wie uns in einem tiefen Keller — und ihre Toten noch weniger. Hoch oben auf dem
Berge müssen sie begraben sein, so daß sie weit hinaus inö Land sehen können,
und hinunter inS Tal, wo die Schiffe fahren.
Ganz in der Ecke des Kirchhofes war ei» verlassenes Grab. Es wuchs nur
Gras auf ihm und in dem Grase ganz versteckt ein paar wilde weiße oder
blaue Blümchen, die niemand gepflanzt hatte. Denn in dem Grabe lag ein
alter Hagestolz, der weder Weib »och Kind, noch sonst irgend jemand hinterlassen