Full text: Träumereien an französischen Kaminen: Märchen

66 
So ging es in allen Dingen. Zwar die lange Tante starb eines Tagest und 
er pflanzte um ihr Grab so viel Büsche und Bäume, als wenn er auf ihnen noch 
einmal alle die Stücke ziehen wolle, die sie auf seinem Rücken zerschlagen hatte; 
aber sein Unstern schien mit jedem Jahre nur mehr und mehr zuzunehmen. Da 
bemächtigte sich seiner eine große Traurigkeit, und er beschloß in die weite Welt 
zu gehen. „Schlechter kann's nimmer werden," dachte er; „vielleicht wird's besser." 
Er steckte daher seine ganze Barschaft in Oie Tasche und wanderte zuin Tor hinaus. 
Vor dem Tor, auf der steinernen Brücke blieb er noch einmal stehen und 
lehnte sich über das Geländer. Er sah in die Wellen hinab, die reißend an den 
Pfeilern vorbeischäumtcn, und eö wurde ihm gar wehmütig umö Herz. Es war 
ihm fast, als wenn es ein Unrecht wäre, die Stadt, in der er so lange gelebt, 
zu vcrlaffen. Und vielleicht hätte er noch lange so gestanden, wenn ihm nicht 
plötzlich der Wind den Hut voin Kopfe geweht und in den Fluß geworfen hätte. 
Da erwachte er auö seinen Träumen, aber der Hut war schon unter der Brücke 
fortgeschwommen und tanzte auf der andern Seite mitten im Strom; und 
jedesmal, wenn ihn eine Welle hochhob, schien er höhnisch zurückzurufen: 
„Adieu, Pechvogel! Ich reise; bleibe du zu Hause, wenn dll Lust hast." 
So machte sich denir Pechvogel ohne Huk auf den Weg. Lustige Gesellen 
zogen oft genug singend und jubilierend an ihm vorüber und luden ihn ein, in 
Geikieinschaft mit ihnen die Wanderschaft fortzusetzen. Doch er schüttelte jedcs- 
inal traurig den Kopf und sagte: „Ich passe nicht zu euch lind würde euch nicht 
viel Glück bringen! Jfußcrdcm heiße ich Pechvogel." Sobald sie diesen Namen 
hörten, wurden die lustigen Burschen ernsthaft und verlegen und machten sich 
eiligst aus dem Staube. Erreichte er abends müde ein Wirtshaus und saß er 
an einer einsamen Ecke des Schenktisches, den Kopf auf die Hand gestützt und 
vor sich den zinnernen Krug mit Wein, der nimmer leer werden wollte, so trat 
wohl zuweilen das Wirtstöchterlein leise zu ihm heran, tippte ihn auf die Schulter, 
daß er sich erschrocken umdrehte, und fragte, warum er so traurig sei. Wenn 
er aber dann seine Geschichte erzählte cmd gar seinen Namen nannte, schüttelte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.