Full text: Träumereien an französischen Kaminen: Märchen

„So?" sagte der Mann; „meinst du wirklich rot? Ich hatte a» grün 
gedacht." 
„Aber bester Schatz!" fiel die Frau ein, „wo denkst du hin? Ihr Männer 
wißt doch niemals, was zusammen paßt und gut steht. Sie müssen unbedingt 
rot sein!" 
Da nun der Mann sehr verständig war und stets auf seine Frau hörte, so 
bestellte er denn wirklich rote Stelzen, und als sie fertig waren, ging er an den 
Sumpf und brachte sie dem Storch. 
Und der Storch war sehr erfreut, probierte sie gleich und sagte: „Eigentlich 
war ich auf euch recht böse, weil ihr mich damals so lange habt warten lassen. 
Weil ihr aber so gute Leute seid und mir die schönen roten Stelzen schenkt, so 
will ich euch auch noch ein kleines Mädchen bringen. Heute über vier Wochen 
werde ich kommen. Daß ihr mir dann aber auch hübsch zu Hause seid, und 
expreß cs erst noch einmal ansagen werde ich nun nicht. Den Weg kann ich 
mir sparen! — Hörst du?" 
„Nein, nein!" erwiderte der Mann. „Wir werden sicher zu Hause sein. 
Du sollst diesmal keinen Aerger davon haben." 
Als die vier Wochen um waren, kam richtig der Storch geflogen und brachte 
ein kleines Mädchen; daö war noch hübscher als der kleine Junge, und war nun 
gerade das Pärchen voll. Auch blieben beide Kinder hübsch und gesund, und die 
Eltern auch, so daß es eine rechte Freude war. — 
Nun wohnte aber im Dorf noch ein reicher Bauer, der besaß ebenfalls nur 
einen Knaben, und der war noch dazu ziemlich garstig, und der Bauer wünschte 
sich auch noch ein Mädchen dazu. Als er vernahm, wie es die armen Leute 
angefangen, dachte er bei sich, es könne ihm. gar nicht fehlen. Er ging sofort 
zum Tischler und bestellte ebenfalls ein paar Stelzen, viel schöner wie die, welche 
die armen Leute hatten anfertigen lasten. Oben und unten mit goldenen Knöpfen 
und in der Mitte grün, gelb und blau geringelt. Als sie fertig waren, sahen sie 
in der Tat ungewöhnlich schön aus. 
6 BoNmann-Leander, Träumereien. 
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