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Linden hinausgehend, nur bis zur Friedrichstrabe. Von dort ab
war die Straße bis znm Schloß und wohl darüber hinaus durch
Soldaten mit roten Armbinden abgesperrt. Nur einzelne Leute,
die sich als Bewohner der im Absperrungsgebist liegenden Käuser
ausweisen tronnlen, wurden durchgelassen. Der Grund der Ab
sperrung war, daß in der ganzen Gegend immer noch bei Tag
und Nacht vereinzelt geschossen wurde, angeblich um wieder in
dort liegenden öffentlichen Gebäuden sich versteckt haltende „königs
treue" Offiziers zu vertreiben. Aus meine mehr zum Zwecke der
Feststellung als in ernster Absicht an einen allerdings besonders
grimm aussehenden Stratioten gestellte Frage, ob ich in die König
liche Bibliothek gehen dürste, antwortete er barsch: „Mann, rin
kommen Se, raus nie wieder." Das „Cafe Bauer", wie das
gegenüberliegende „Victoria-Cafe" wiesen eine große Zahl von
Schußstellen aus; die Fensterscheiben waren zum Teil zerbrochen.
Ich bog nun in die Friedrichstraße nach dem Bahnhof zu ein, sah,
daß auch das „Central-Kotel" beschossen worden war und daß in
der Mittelstraße der Kosfriseur Kaby sein Koflieferantenschild mit
emsiger Geschäftigkeit herunternehmen ließ.
Die Aussicht, für unbestimmte Zeit die berufliche Arbeit nicht
wieder aufnehmen zu können, und die Ungewißheit, ob die Kaus-
bibliothek beschädigt sei. war niederdrückend.
Um so erfreuter war ich, als ich noch im Laufe des Montag
abend durch telephonischen Anruf für den nächsten Tag nach dem
Neuen Palais gebeten wurde. Es erschien zweckmäßig, über die
dort befindlichen Bücher des Kaiserpaares Anordnungen zu treffen.
Die Kaiserin befand sich, wie alljährlich um diese Zeit, seit Monaten
im Neuen Palais, das der Kaiser Ende Oktober verlassen hatte,
um wieder nach dem Großen Kauptquartier in Spaa und von
dort zur Front zu gehen. Die Prinzen Eitel-Friedrich, August
Wilhelm und Oskar mit ihren Gemahlinnen, auch die Kron
prinzessin mit ihren Kindern, waren um sie, ebenso der übliche
Kofstaat. Die Mannschasten der Insanterie-Stabswache, die noch
von der Anwesenheit des Kaisers her im Neuen Palais stationiert
waren und bis zur Revolution die Wachen gestellt hatten, waren
in den Abendstunden des 9. November nach Bildung eines
Soldatenrates auseinandergelaufen. Durch Vermittlung des Obersten
von Kahnke, der sich der Kaiserin zur Verfügung gestellt hatte
und auch im Neuen Palais wohnte, waren dann von der Pots
damer Garnison Mannschasten zur Absperrung des Palais dorthin
beordert worden. Im Innern übernahm der Oberkastellan mit
seinen Schloßdienern und der persönliche Dienst der Kaiserin ihren
Schuh. Zum Glück blieb alles ruhig. Die zum Eintritt in das
Palais Berechtigten wurden wie sonst, nachdem sie sich durch ihre
Einlaßkarte ausgewiesen hatten, von dem Posten und dem ihm
wie früher beigegebenen Schutzmann durchgelassen. Abgesehen