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Unterkunft und Verpflegung zu bekommen, den Malrosen ange
schlossen. In den Räumen, die sonst mil peinlichster Sauberkeit
gepflegt wurden, hielten sich jetzt die qualmenden, ihre Zigaretten
enden auf den Boden werfenden, umherspuckenden, sich bewußt
roh gebärdenden Matrosen auf. Auf den Treppen ein ständiger
Verkehr; eine Aufsicht über diesen gab es nicht. Mir schien es,
jeder, der Uniform anhabe, könne ungehindert gehen, wohin er
wolle. Nur so verdächtige Elemente wie ich wurden scharf be
wacht. Mein erster Besuch im Schloß fiel gerade in die zügel
loseste Zeit der Matrosenherrschaft. Der von mir schon oben ge
kennzeichnete Matrose Wilke war damals Kommandant. Wo er
sein Quartier hatte, schien niemand recht zu wissen. Wenigstens
irrte der mir zur Führung mitgegebene Soldat rat- und planlos in
den mir so vertrauten Gängen und Räumen umher. Immer wieder
fragte ich mich, wie ist das möglich geworden, und wie soll das enden?
Schließlich kamen wir auf den ersten Kof, auf dem Maschinen
gewehre und sonstiges Waffengerät standen. Dort sah ich von
weitem den Kastellan Klose, dessen Aufsicht die kaiserliche Woh
nung unterstellt gewesen war. Ich bedeutete meinem Begleiter,
dieser würde uns gewiß Auskunft geben können. Unter den aus
dem Rahmen des Schloßbildes so gänzlich herausfallenden Ge
stalten ein bekanntes Gesicht zu erblicken, war eine seelische Ent
lastung und ließ wieder zu Atem kommen. Klose rief, nachdem
ich ihm meinen Wunsch ausgesprochen hatte, einen über den Kos
gehenden Matrosen heran, den er mir als Waffenmeister Köhler
vorstellte. Köhler, ein untersetzter, energisch aussehender, stark
selbstbewußter Mensch, hatte den Kastellan in seinen Bemühungen,
Diebstähle nach Möglichkeit zu verhindern, nach besten Kräften
unterstützt. Angeblich durste ohne seine Erlaubnis niemand durch
die Räume der kaiserlichen Wohnung gehen. Wie wenig er dies
verhindern konnte, hatte ich bald Gelegenheit, festzustellen. Nach
dem er von meinen Personalien in Kenntnis gesetzt worden war,
begannen wir zu vieren die Wanderung durch die Prioatzimmer
der Majestäten. Jeder Schloßbewohner oder im Schlosse Tätige
weiß, welche selbstverständliche Zurückhaltung bisher beim Betreten
dieser Räume beobachtet worden war. Nur dem, der dienstlich
unbedingt darin zu tun hatte, war der Zutritt gestattet. Da die
Privatbibliotheken der Majestäten in unmittelbarem Zusammen
hang mit den von ihnen bewohnten Gemächern standen, waren sie
mir durch jahrelange dienstliche Tätigkeit wohlvertraut. Und doch
hatte ich sie immer mit einer Pietät, die mir die Verehrung für
ihre Bewohner eingab, betreten. Ihre Einrichtung, die Bilder,
Kunstgegenstände, Erinnerungsstücke, die aus Tischen und Gestellen
umherliegenden und stehenden Bücher, alles das war Ausdruck
ihrer Persönlichkeit. Man wußte, wie sie an den einzelnen Dingen
hingen, wenn es auch nur Lichtbildaufnahme von dieser oder jener