Leutnants-Leben
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Schuh drückte, und er kam mir auf eine so offene und freundliche
Weise entgegen, wie sie ein neunzehnjähriger Leutnant von einem
alten Obersten ohne alle Empfindlichkeit ertragen konnte.
Ich ward zum Reisemarschall ernannt, und es wurde be
schlossen, Mainz zum Mittelpunkt unserer Exkursionen zu machen.
Von dort wollten wir zuerst über Worms und Frankenthal nach
Mannheim und Heidelberg gehen und dann über die Bergstraße und
Darmstadt nach Mainz zurückkehren, ferner über Wiesbaden nach
Rüdesheim fahren, dort die Umgebungen besuchen und endlich nach
Koblenz gehen, von wo uns das Dampfschiff wieder nach Mainz
zurückbringen sollte. Unsere Reise ward durch das schönste Wetter
begünstigt, und da wir sämtlich die Gegenden, durch welche wir
fuhren, noch nicht gesehen hatten und in der heitersten Laune
waren, so war denn auch diese Reise eine sehr angenehme. In
Mannheim wurden wir vom Generalleutnant von Stockhcrn mit
großer Artigkeit aufgenommen. Wir brachten bst ihm einen höchst
angenehmen Abend zu, besonders ich, denn außer den schönen
Töchtern des Generals waren auch seine Nichten, die drei Fräulein
von Berlichingen, dort. Der General hatte eine schöne Wohnung
im Schloß, Ich ließ es mir damals nicht träumen, daß das Zimmer
mit der rotseidenen Damasttapete, in welchem wir Tee tranken,
einst mein Schlafzimmer und der Tanzsaal mein Empfangszimmer
sein werde!
Da die Tour, welche wir machten, heutzutage fast von jedermann
gemacht worden ist, so will ich mich bei irgend welchen Beschrei
bungen nicht aufhalten. In dem Raum im Schloß, in welchem sich
das große Faß in Heidelberg befindet, hing nahe am Eingang eine
gewöhnliche Uhr. Mademoiselle Andrö, die Neufchateler Bonne, die
schon in Heidelberg gewesen war, forderte mich auf, die Uhr
schlagen zu lassen. Ich zog ganz arglos an der herabhängendeu
Schnur, als plötzlich das Zifferblatt in die Höhe ging und ein Fuchs
schwanz aus der Uhr heraus mir ins Gesicht fuhr. Ich erschrak
schauderhaft und ward unbarmherzig ausgelachL Am andern Morgen
frühstückten wir auf dem Wolfsbrunnen und am Nachmittag fuhr ich
mit des Obersten vier Rappen zum Ball nach Mannheim.
Der Ball war sehr hübsch und Ihre Exzellenzen außerordentlich
artig gegen mich. Ich machte Fräulein v. Berlichingen sehr stark
die Cour, erklärte ihr zehnmal meine Liebe, was sie lachend hin-
nahm, mußte dann die Generalin zur Tafel führen, schwatzte viel
dummes Zeug — Bischof Heber sagt; ,,es sei ein sehr wertvolles
Talent, manchmal Unsinn schwatzen zu können" — trank ein wenig
mehr, als mir gut war, benahm mich überhaupt etwas abgeschmackt,
w r as man hofientüch meiner Jugend zu gut hielt, und kam mit
moralischem und physischem Katzenjammer die Nacht in Heidelberg
an, war noch am Morgen verdrießlich und verdiente die freundlichen