Full text: Ein Leben voller Abenteuer (1)

Das elterliche Haus 
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ein bunter Köter mit Glasaugen, der Meiran hieß und den Kuhstall 
bewachte, mein entschiedener Feind und wurde später, als der Tollheit 
verdächtig, erschossen. 
In der Häckselkammer hatte Louis eine Kolonie von Kaninchen, 
die das Stallgebäude unterminierten und schauderhaft überhand 
nahmen, da solch Wildbret in unserm Hause als Speise verschmäht 
wurde. Auf dem Taubenschlag hatte mein Bruder eine Menge 
Tauben, die seine Aufmerksamkeit sehr in Anspruch nahmen, da 
es dort Gebrauch war, einander mit allerlei Listen und Lockungen 
die Tauben wegzufangen. 
Den Hof bevölkerte Federvieh aller Art. Vor dem großen Trut 
hahn, der mich stets verfolgte, fürchtete ich mich, und die abscheu 
liche Köchin überredete mich, ihm eigenhändig mit dem Beil den 
Kopf abzuschlagen. Der Tyrann des Hofes war aber ein Kranich, 
welcher sich mit jedem Kinde maß, das ihm in den Weg kam. War 
er kleiner, dann zog er hochbeinig ab; fand er sich aber größer, 
dann griff er das Kind mit seinem Schnabel an und verwundete eines 
ziemlich gefährlich in den Arm. Dieser Tyrann fand aber seinen 
Brutus in dem tapferen Haushahn. Es entspann sich ein Zweikampf 
zwischen beiden, dem der ganze Hühnerhof kollernd, schnatternd 
und gackernd beiwohnte. Der große Hans verlor im Gefecht ein 
Auge und floh. Nach einigen Tagen starb er, entweder an der Wunde 
oder vor Scham. 
In dem „Souterrain" nach dem Hofe wohnten einige Miets 
leute, unter anderen ein Wagenlackierer — Maler genannt — und ein 
Schuhmacher, Schusters Nante und Malers Karlinchen waren meine 
Spielkameraden. Schuster Ernst, ein blonder Krauskopf, war ein 
braver und fleißiger Mann, vor dessen Knieriemen Nante ganz 
ungeheuren Respekt hatte; Frau Ernst war ebenfalls brav, und ich 
muß gestehen, daß ich überall im bescheidenen Souterrain ein 
besseres Beispiel fand als eine Treppe höher! Auch Malers waren 
sehr achtbare, fromme Leute, welche sich mehr um Literatur 
kümmerten als mein Vater. Wenigstens fanden sie Geschmack an 
der Poesie und hatten eine Bibel und Bürgers Gedichte, während 
meines Vaters ganze Bibliothek aus sechs Bänden Veterinärschriften, 
einem kleinen Taschenbuch mit einem Teil des Dreißigjährigen 
Krieges nebst Kupfern, und einem Teil von Kotzebues Lustspielen, 
Pachter Feldkümmel, bestand. 
Die Erziehung meines Vaters war eben die gewesen, welche in 
seiner Jugendzeit Knaben in Preußen zu erhalten pflegten, die 
Offiziere werden wollten. Er war Page am königlichen Hofe gewesen 
und hatte von dem, was er im Pagenhause gelernt hatte, höchstens 
die Pagenstreiche behalten; doch das hinderte nicht, daß er ein 
tüchtiger Offizier wurde, denn die Examina waren damals noch nicht
	        
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