Full text: Ein Leben voller Abenteuer (1)

36 
Das elterliche Haus 
erfunden. Trotzdem sah der Vater ein, daß ein wenig mehr Kenntnisse, 
als er besaß, seinen Kindern wohl gut sein möchten, und er gab sich 
Mühe, uns lernen zu lassen, was eben in Gumbinnen zu haben war. 
Was wir mit dem Griechischen und Lateinischen, worauf die 
Pädagogen bestanden, anfangen sollten, sah er nicht ein, da wir dazu 
bestimmt waren, preußische Offiziere zu werden, wie sich das ganz 
von selbst verstand; allein wich er auch in diesem Punkt von den 
Ansichten der ,,Federfuchser" ab, obwohl er sich fügte, so war er 
doch in einem anderen wesentlichen Punkte mit ihnen auf das 
eifrigste einverstanden, nämlich daß Knaben ohne Prügel nicht zu 
erziehen seien. In jener Zeit war das noch ein pädagogischer Glaubens 
artikel, und es setzte in den Schulen Hiebe, ,,daß das Fell rauchte“. 
Mein Vater half den Schulübungen durch gründliche Privat 
repetitionen nach. 
Als Fundament der ganzen Erziehung galt meinem Vater der 
Gehorsam; denn wer einmal ordentlich befehlen wolle, sagte er, müsse 
erst ordentlich zu gehorchen verstehen, und es ist viel praktische 
Weisheit in diesem Satze, Uns den Gehorsam einzubleuen, war daher 
seine Hauptsorge und eine Widerspenstigkeit gegen ihn wurde als 
das entsetzlichste Verbrechen im ganzen Reiche der Natur betrachtet. 
Ueberhaupt schätzte er den negativen Wert aller Fehler, welche wir 
begingen, nach dem Maß, als sie auf i h n Bezug hatten. Ueber einen 
dummen Streich, den wir einem anderen spielten, oder selbst 
über eine geschickte Lüge konnte er lachen und sich sogar etwas 
darauf zugute tun; allein wehe uns, wenn wir unsere Geschicklichkeit 
an ihm versuchen wollten! 
Das Züchtigungsinstrument war ein Hundekantschu, dessen Griff 
ein Rehlauf war; ein sehr nützliches und brauchbares Instrument, 
wenn ein Geist, der sich zu beherrschen weiß, die schlagende Hand 
regiert; allein leider war mein Vater jähzornig und erhitzte sich im 
Schlagen immer mehr. Ich habe ein paarmal unter seinen Schlägen 
die Besinnung verloren, und mein ältester Bruder verdankte seine 
Schwächlichkeit wahrscheinlich einer entsetzlichen, barbarischen 
Züchtigung. 
Diesen Jähzorn, der überhaupt ein Familienfehler ist, erbte ich 
von meinem Vater und hatte viel davon zu leiden. Einst als der Vater 
nicht zu Hause war, ärgerte mich mein Bruder Louis; ich warf sogleich 
über den Tisch hinweg ein Messer nach ihm, wofür er mich in ein 
finsteres Zimmer sperrte und erst heraus ließ, nachdem ich die Tür 
dermaßen mit den Füßen bearbeitet hatte, daß sie in der Mitte 
platzte. Am anderen Morgen, als ich noch im Bett lag — o Schrecken! 
— rief mich mein Vater zu sich. Er langte hinter sich vom Sofa eine 
ungeheure Rute hervor, legte mich über das Knie und — kurz, ich 
konnte drei Tage nicht ordentlich sitzen. Ein andermal, als ich mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.