Full text: Ein Leben voller Abenteuer (02)

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Amerika 
führte durch Georgetown, welcher Ort älter ist als Washington, von 
dem es nun eine Vorstadt bildet. Von den Höhen, über welche die 
Straße führt, hat man einen reizenden Blick auf den seeartigen 
Potomac, der mit Segel- und Dampfschiffen belebt war, und auf die 
Landschaft, deren auffallendster und meilenweit sichtbarster Punkt die 
weiße Kuppel des herrlichen Kapitols bildet. 
Die Straße nach dem siebzehn englische Meilen entfernten Rock- 
ville war langweilig, und ich ritt so schnell, als es mir das Wagen 
gedränge auf der Straße erlaubte, um nur dem üblen Geruch zu ent 
gehen, welchen die an der Seite liegenden, mit Fliegen bedeckten 
toten Maultiere verbreiteten. Um halb acht Uhr kam ich in Rockville 
an. Mein braver Schimmel sah mit verlangendem Kennerblick in 
einen Hof hinein, und da derselbe zu einem Hause gehörte, an 
welchem „Union-Hotel" angeschrieben stand, so beschloß ich, dort 
einzukehren, denn daß Mac Clellans Hauptquartier nach Frederik 
vorgerückt sei, hatte ich bereits erfahren, und da dieser Ort sechs 
undzwanzig Meilen von Rockville entfernt war, konnte ich ihn doch 
nicht inehr vor der Nacht erreichen. 
Der Besitzer des Gasthofes war ein Deutscher. Das kleine Dorf 
hotei wimmelte von Sutlern, Fuhrknechten und allerlei Gesindel, 
welches einer Armee nachzieht, und an ein Zimmer oder Bett war 
nicht zu denken, aber eine hübsche Mulattin machte mir ein Lager 
auf dem Sofa im Parier zurecht, auf dessen Fußboden ein Dutzend 
Fuhrknechte lagen, die ganze Wolken von Schnaps-, Zwiebel- und 
Kautabak-Duft ausschnarchten. Als ich am Morgen ausritt, gesellte 
sich ein halb militärisch gekleideter, anständig aussehender Mann zu 
mir, der ebenfalls nach Frederik wollte. Es war ein Sutler, der viele 
Leute unter sich hatte. Gegen Mittag erreichten wir ein rechts vom 
Wege liegendes großes Zelt, welches meinem Reisegefährten gehörte, 
und in welchem seine mannigfachen Waren aufgestapelt waren. Ein 
schwarzer Diener, der Shakespeare hieß, sorgte für meinen braven 
Schimmel, während ich mit meinem gastfreien Wirt eingemachte 
Austern und andere gute Dinge frühstückte. 
Je näher wir Frederik kamen, desto belebter wurde die Straße, 
und überall trafen wir auf ganz frische Spuren der feindlichen Armee. 
Die Brücke über den Monocacy-Fluß war abgebrochen und einige 
dabei stehende Häuser brannten noch. Der Weg führte über eine 
Hügelkette, die zu den Sugar Loaf Mountains (Zuckerhutbergen) ge= 
hört, und man hatte eine reizende Aussicht auf die Blue ridges, blauen 
Berge, jenseits des Potomac und auf das fruchtbare, herrliche 
Maryland. 
Es war Sonntag. Die Läden in Frederik waren sämtlich ge 
schlossen, und die kleine, sonst so lebhafte und freundliche Stadt sah 
trübselig aus. Die Rebellen hatten sie erst am Sonnabend verlassen. 
Die Einwohner standen gruppenweise auf den Straßen beisammen;
	        
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