Full text: Ein Leben voller Abenteuer (02)

Amerika 
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jeder hatte sein Abenteuer während der Besetzung zu erzählen. Die 
Stadt glich gewissermaßen einem Kleefelde, welches die Heuschrecken 
verlassen hatten. Trotzdem mein Reisegefährte in dem Gasthofe 
„wie das Kind vom Hause“ war, konnten wir doch nichts zu essen 
bekommen und nur mit Mühe ein Zimmer mit einem Bette für uns 
beide. Wir sollten indessen nicht hungrig schlafen gehen, denn der 
Sutler kannte einen wackern Israeliten, einen Kleiderhändler, der 
uns gastfreundlich aufnahm. Der Besuch der Rebellen hatte ihm Glück 
gebracht, denn sein ganzer Laden war ausverkauft. Freilich hatten 
die Rebellen mit südlichem Papiergeld bezahlt, welches selbst in 
Dixie nur ein Viertel des Nominalwertes galt, aber unser freundlicher 
Wirt, hatte doch nicht nur zehnfache Preise genommen, sondern auch 
Mittel gefunden, sein Geld gegen Unionsgeld zu wechseln. 
Mit einem fremden Mann in einem Bett zu schlafen, war ich nun 
schon gewohnt. Gut, daß amerikanische Betten breiter sind als 
deutsche. Was mich immer in Erstaunen setzte, war die Sorglosigkeit 
der Amerikaner gegen die Gefahr des Diebstahls. Trotzdem es 
Krieg war und allerlei Gesindel der Armee folgte, und mein Schlaf 
kamerad eine dickgefüllte Geldtasche hatte, fiel es ihm gar nicht 
ein, die Tür zu schließen. Er lachte mich aus, als ich es tat. Während 
der ganzen Nacht rollten Armeewagen durch die Straßen. Allerlei 
Gerüchte schwirrten durch die Stadt. Wir hatten am Abend fernen 
Kanonendonner gehört; es hieß, Mac Clellan habe eine Schlacht ge 
schlagen und die Konföderierten zurückgetrieben. 
Der Sutler blieb in Frederik zurück, und ich ritt am anderen 
Morgen allein der Armee nach. Auf der Straße hörte ich plötzlich 
meinen Namen rufen. Ich sah auf und erblickte General Max Weber, 
der am Wege hielt. Er war mit seiner Brigade zu Mac Clellans Armee 
beordert, und ich schloß mich ihm an. Es war am Tage zuvor eine 
Schlacht in den South Mountains geschlagen worden, wo die Kon 
föderierten einige Pässe mit Hartnäckigkeit verteidigt hatten. Wir 
begegneten auf der Straße einer Menge von Ambulanzen mit Ver 
wundeten, und auch einer, welche die Leiche des Unionsgenerals Reno 
enthielt, der in der Schlacht gefallen war. 
Schon tags zuvor hatte ich mit äußerstem Mißfallen die Masse 
von Marodeurs bemerkt, welche truppweise der Armee nach 
bummelten, sich rechts und links von der Straße ausbreiteten und 
die dort liegenden Farmen brandschatzten. Ihre Zahl war außer 
ordentlich groß und wurde auf wenigstens 20 000 Mann geschätzt. 
Diese Desorganisation war noch eine Folge der zweiten Schlacht bei 
Bull Run. Eine Armee-Gendarmerie wäre da sehr am Platze gewesen. 
Das Gedränge auf der Gebirgsstraße wurde so groß, daß Weber 
seine Brigade Halt machen lassen mußte. Der General und ich ritten 
voraus, um Nachrichten über Mac Clellans Hauptquartier einzuziehen, 
da Weber von ihm Instruktionen erwartete, wohin er mit seinen
	        
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