Full text: Der kleine Lord

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der Geschichte glauben," sprach er mühsam, „wenn es nicht 
ein so ganz und gar niederträchtiger Schurkenstreich wäre, der 
zum Wesen meines Sohnes so vollkommen stimmt. Er ist 
immer der Schandfleck unsers Namens gewesen; von jeher 
ein erbärmlicher, lasterhafter, ehrloser Wicht, mit den gemeinsten 
Instinkten — mein Sohn und Erbe Bevis, Lord Fauntlerop. 
Die Frau ist eine ungebildete Person?" 
„Sie kann kaum ihren Namen schreiben, ist ohne jede 
Erziehung und ein unverblümt käufliches Geschöpf. In ge 
wissein Sinne ist sie hübsch, gber —" 
Der vornehme, alte Jurist hielt inne, offenbar von Wider 
willen erfüllt. 
Dunkelrot und dick angeschwollen traten die Adern auf 
des Grafen Stirn hervor, und eisige Schweißtropfen waren 
es, die er mit seinem Tuche wegwischen mußte. Immer 
bittrer wurde dies fürchterliche Lächeln. 
„Und ich," sagte er, „ich habe die — die andre Frau, 
die Mutter dieses Kindes, von mir gewiesen. Ich habe mich 
geweigert, sie anzuerkennen. Und die kann doch ihren Namen 
schreiben. Das ist vermutlich, was man Vergeltung nennt." 
Plötzlich sprang er auf und schritt im Zimmer auf und 
ab, wilde, leidenschaftliche Reden ausstoßend. Wie der Sturm 
um einen alten Eichbaum, so tobten Wut und Enttäuschung 
in des alten Mannes stolzem Herzen. Es war ein entsetz 
licher Anblick, und doch entging Mr. Havisham nicht, daß er 
auch im wildesten Ausbruch seines Schmerzes der kleinen 
schlafenden Kindergestalt nicht vergaß und seine zornerstickte 
Stimme sorgsam dämpfte. 
„Ich hätte es ja wissen können, daß sie mir auch übers 
Grab hinaus Schande anthun würden, die Söhne, die mir 
im Leben nichts andres bereitet haben. Wie habe ich sie ge- 
S und sie mich! Bevis war der Schlimmere von den 
>n. Und doch — ich will, ich will es noch nicht glauben — 
ich will dagegen ankämpfen, solange ich kann. Aber es sieht 
Bevis ähnlich — es ist meines Sohnes Art." 
Dann tobte er von neuem, und immer hin und her 
gehend, stellte er eine Menge Fragen in Bezug auf die Frau 
und ihre Beweismittel, und dunkle Glut überzog nun das 
vorher aschfarbene Gesicht. 
Als er zuletzt alles erfahren hatte, was zu sagen war, 
und auch das Schlimmste wußte, überkam Mr. Havishain 
eine große Angst, so verändert, gebrochen und verstört sah der
	        
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