Full text: Der kleine Lord

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„Wird bann," begann er stockend, „wird dann der andre 
— wird der dann dein Junge sein, so wie ich?" 
„Nein!" ertönte es mit so mächtiger Stimme, daß Cedrik 
zusammenschreckte. 
„Nein?" wiederholte er fragend. „Ich — ich hab' gedacht, 
daß —" 
Plötzlich stand er auf. 
„Kaun ich dein Junge bleiben, auch wenn ich kein Graf 
werde? Willst du's, daß ich dein Junge bleibe?" Jeder 
Zug des kleinen Gesichts drückte die höchste Spannung aus. 
Wie der alte Graf ihn ansah, von Kopf bis zu Fuß ! 
Wie sich die buschigen Augenbrauen zusammenzogen und wie 
die feurigen Augen so wunderlich drunter hervorleuchteten! 
„Mein Junge!" sprach er, und seine Stimme klang selt 
sam gebrochen, rauh und heiser, und trotzdem er noch be 
stimmter und gebieterischer sprach als vorher, wollte sie nicht 
so ganz fest bleiben — „Ja, mein Junge bleibst du, solange 
ich lebe, und, bei Gott, mir ist's oft, als warst du der einzige 
Junge, den ich je gehabt habe." 
Bis unter die Haarwurzeln war Cedrik von Glut über 
gössen — nichts als Freude und Herzenserleichterung. Mit 
sehr entschlossener Miene vergrub er die Händchen in den 
Tiefen seiner Taschen und sah seinem Großvater ehrlich ins 
Gesicht. 
„Nun, dann, weißt du," erklärte er, „dann mache ich 
mir gar nichts daraus, daß ich kein Graf werde — darauf 
kommt mir's gewiß nicht an. Ich habe nur gedacht — siehst 
du — ich habe gedacht, daß der, welcher Graf wird, auch 
dein Junge sein müsse und ich's also nicht mehr sein könne. 
Deshalb ist mir so — so wunderlich zu Mut gewesen." 
Der Graf legte die Hand auf seine Schulter und zog 
ihn zu sich heran. 
„Nichts, gar nichts sollen sie dir nehmen von dem, 
was ich für dich behaupten kann," sagte er, mühsam atmend. 
„Und ich will'es nicht glauben, daß sie dir überhaupt etwas 
nehmen können. Du bist für die Stellung geschaffen — 
und du sollst sie ausfüllen trotz alledem. Wie es aber auch 
kommen mag — das, worüber ich frei verfügen kaun, sollst 
du haben — alles!" 
Es war nicht mehr, als ob er zu dem Knaben spräche, 
es war, als ob er sich selbst gegenüber ein Gelübde ablege. 
Wie tief seine Liebe zu dem Enkel und sein Stolz auf
	        
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